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Personen: Interview mit Stephen und Gabriel von der Bier Factory Rapperswil

Nach Rapperswil fahren die Kinder wegen dem Kinderzoo und die Erwachsenen wegen der Rapperswil Bier Factory und dem jährlich stattfindenden Craft Bier Festival. Dieses findet zwar erst Ende August statt (siehe auch Exkurs unten), aber als Teil der Vorfreude besuchten wir Stephen und Gabriel in Rapperswil. Die Herren hinter der Bier Factory und dem Festival zeigten uns die erweiterte Brauerei und sprachen mit uns über die eigenen Anfänge sowie den Status der Craft Bier Revolution.

Zuerst eine einfach Frage: Wer seid ihr und was macht ihr?

Stephen Hart: Es gibt Leute dir ihr ganzes Leben damit verbringen herauszufinden, wer sie sind [Lacht]. Ich bin der Brauer der Bier Factory und braue seit ungefähr 20 Jahren. Bis zur Schliessung der Hürlimann Brauerei in Zürich habe ich dort als Qualitätssicherungsleiter und in der Produktentwicklung gearbeitet. Danach habe ich bis 2009 als Teilzeitlehrer an der Berufsschule in Wädenswil Fachkunde unterrichtet. Seit da arbeite ich Vollzeit an der Rapperswil Bier Factory.
Gabriel Hill: Wer bin ich? Ein Amerikaner aus Portland, Oregon der in der Schweiz lebt. Meine Schweizer Ehefrau hat mich hier her gebracht. Ich habe eine Ausbildung in Marketing und Finanzwesen, mit Fokus internationaler Handel. Daneben bin ich natürlich ein Bierliebhaber. Ich bin in einer Stadt aufgewachsen, in der praktisch jede Bar mindestens zehn Biere im Offenausschank serviert und eine Bierkarte hat.
Als ich dann vor vier Jahren in die Schweiz umzog, fehlte mir das. Ich möchte gerne in einem Land leben, in dem ich überall hin gehen kann und eine Bierauswahl habe. Gleichzeitig erkannte ich ein Potential für eine Craft Bier Revolution, oder wie du das auch immer nennen willst. Auf der Suche nach einem guten IPA stiess ich auf die Rapperswil Bier Factory. Stephen und ich haben uns über die Schweizer Bierszene unterhalten. Er war damals als Bierjuror in den USA und kannte die Szene dort und war sich des Potentials ebenfalls bewusst. Aber sein Ding ist es Bier zu brauen, mein Ding ist die betriebswirtschaftliche und Marketing-Seite.

Du, Stephen bist bereits über 20 Jahre in der Schweiz und du, Gabriel seit 4 Jahren. Wie würdet ihr die Entwicklung der Schweizer Bierszene beschreiben?

Stephen: Die grössten Veränderungen haben sich in den letzten 5 Jahren abgespielt. Es gab zwar schon immer Kleinbrauereien, sicherlich heute mehr, aber die haben früher vor allem Lagerbiere gebraut und vielleicht noch ein Weizenbier. Heute brauen die kleinen Brauereien allerlei von Bierstilen. Das was die Heimbrauer immer schon gemacht haben, schlägt sich jetzt bei den Kleinbrauereien nieder.
Aber auch die Kunden haben sich verändert. Früher hatte kaum jemand ein Interesse an Bier, weil es so oder so immer gleich war. Heute fragen die Leute andere Bierstile nach. IPAs sind zwar immer noch ein Nischenprodukt, doch vor 5 Jahren brauchte ich noch sechs Monate um 1‘000 Liter eines IPAs zu verkaufen. Heute geht die gleiche Menge in zwei Wochen weg.
Gabriel: Ist euch auch die Veränderung in Solothurn aufgefallen: Noch vor vier Jahren bekam man nur Lager, ein Dunkel und vielleicht noch ein Spez. Doch in diesem Jahr war es unglaublich: Die Brauereien servierten sechs verschiedene Biere, selbst kleine oder mittelgrosse Brauereien.

Auf der Webseite schreibt ihr, dass ihr ein Lager braut, weil es die Kunden oder mögliche Kunden nachfragten.

Stephen: Grossbrauereien wollen immer Kosten senken. Deswegen sparen sie beim Hopfen und sparen beim Malz. Über den ganzen Produktionszyklus sind die Kosten für die Rohmaterialien aber gar nicht so hoch. Und wenn man einen guten Hopfen für ein Lager verwendet, dann kann auch dieser Bierstil gut schmecken.
Gabriel: Aus finanzieller Sicht brauchen wir eine solide Basis. Ein Lagerbier ist eine gute Möglichkeit diese Basis aufzubauen. Das Lagerbier ist das Einstiegsbier welches den Trinker vielleicht dazu motiviert auch unsere anderen Biere zu trinken.

Ihr habt euch weiter entwickelt, eure Kapazitäten ausgebaut und habt neue Etiketten. Was könnt ihr uns dazu sagen?

Gabriel: Einerseits hatten wir immer wieder Probleme mit der Kapazität. Unterdessen erhalten wir genügend Anfragen, dass ich unsere Biere nicht aktiv bewerben muss. Und sie sind trotzdem regelmässig ausverkauft. Der Ausbau ermöglicht es uns unsere beiden Arbeitsstellen zu finanzieren. Wir haben unsere Verpackung geändert um die Effizient zu steigern und unser Brandig angepasst, um einen lockeren, modernen Eindruck zu vermitteln. Einerseits nehmen wir unser Bier immer noch sehr ernst und andererseits wollen wir zugänglich genug sein um niemanden abzuschrecken. Auf den neuen Etiketten erzählen wir eine Geschichte um das Bier. Gleichzeitig drucken wir aber auch ein paar technische Informationen zum Bier wie den Bierstil oder die IBU. Damit versuchen wir unsere Zielgruppe anzusprechen, die 28- bis 39-jährigen, welche ein Bisschen mehr Geld haben, an einem Qualitätsprodukt interessiert sind und die gerne ein Produkt mit einer Geschichte kaufen. Das alles hat uns auch dazu bewogen uns in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln.

Was sind eure mittelfristigen Ziele?

Gabriel: Innovativ zu bleiben.

Wie wird euch das gelingen?

Gabriel: Mit spannenden Bieren und interessanten Anlässen an denen man spannende Informationen über Bier erhält. In diesem Jahr werden wir am Craft Bier Festival zum Beispiel ein Pairing von Bier mit Käse und Schokolade durchführen. Mittelfristige wollen wir unsere Braukapazität ausschöpfen und das gebraute Bier auch verkaufen. Unser langfristiges Ziel ist es um die 1‘500 Hektoliter zu brauen. Bis dahin werden wir hauptsächlich unsere vier Standardbiere brauen, also das Lager, das Pale Ale, das Schwarzbier und das IPA. Und wenn wir Kapazitäten haben, wird Stephen seiner Kreativität freien Lauf lassen und Spezialitäten brauen. Die Kapazitätsprobleme setzten uns auch Grenzen was die Kreativität betrifft. Wenn du nicht nur zwei Biere und ein Saisonbier brauen möchtest, brauchst du mehr Tanks.
Stephen: Zum innovativ sein gehört auch zu beobachten was andere so machen. Die USA ist sicherlich führend bezüglich Kreativität. Wenn nur 10 Prozent davon auch in der Schweiz passieren würde, wäre das eine grossartige Sache.

>> Exkurs: Craft Bier Festival

Wie entwickelst du ein Rezept?

Stephen: Ich schaue welche Biere wir bereits im Angebot haben, welche Kapazitäten wir haben und ich möchte mich nicht ständig wiederholen. Wenn ich also ein Sommerbier konzipiere, dann muss etwas daran speziell sein. Gleichzeitig soll es auch zugänglich sein. Das Aktuelle ist wegen dem Sauermalz leicht säuerlich, leicht aber mit Hopfennoten. Ein neues IPA muss anders sein, vielleicht stärker oder mit einem speziellen Hopfen.
Wir versuchen nicht die ganze Welt mit unseren Bieren zu bedienen. Wir können nicht alle möglichen Biere selber brauen. Deswegen habe ich kein Problem wenn andere Brauereien mehr oder andere Bierstile als wir brauen. Nur weil jemand anderes ein tolles Bier braut, heisst das nicht, dass ich das gleich auch brauen muss. Ich kann ja sein Bier kaufen und muss es deswegen nicht selber brauen.
Abgesehen von den erwähnten Bieren haben wir noch ein Black IPA das wir nochmals brauen.
Gabriel: Importeure in den USA sind an unserem Bier interessiert. Und gewisse Bierstile machen es ihnen einfacher, diese zu verkaufen. Entsprechend arbeitet Stephen daran, solche Bier herzustellen, zum Beispiel Collaboration-Biere oder ein Chocolate Stout, Chili Bier und natürlich alles das mit lokalen Zutaten gebraut wurde, z.B. unser Fresh Hop IPA. Ein Kürbisbier wiederum passt zum Schweizer Markt, weil es saisonal ist.

Ich finde den Konflikt zwischen ein Rezept zu perfektionieren und ständig neue Rezepte auszuprobieren spannend. Es ist wohl kaum möglich für eine Brauerei die über 30 verschiedene Biere pro Jahr braut, alle einmal als Test zu brauen.

Stephen: Ein paar Biere haben wir zuerst in einem Testbatch gebraut, zum Beispiel das Kürbisbier oder das Black IPA. Es wäre sicherlich besser ein Testbatch zu brauen, aber das scheitert oft an der Zeit. In den USA geht probieren über studieren. Das Ding ist aber, dass die Kunden genau gleich denken: probieren geht über studieren. Das Bier ist dann vielleicht nicht genau wie du es haben wolltest, aber die Leute werden es trotzdem trinken.

In den USA kann man auch jede bakterielle Infektion als Sauerbier verkaufen. Meinst du, dass nach einem schlechten Sud, die Kunden alle deine Biere meiden werden?

Stephen: Ein schlechtes bekanntes Bier kann diese Reaktion auslösen. Bei einem neuen Bier werden sie es einfach kein zweites Mal kaufen. Als Brauer muss man die Disziplin haben, ein Bier das Fehler hat wegzuschütten. Das tut natürlich weh, weil Kosten damit verbunden sind.

>> Exkurs: Biere die man trinken muss, bevor man stirbt

Der Ort in dem ihr braut ist Teil eures Namens. Wie wichtig war der regionale oder sogar lokale Aspekt für die Entwicklung der Brauerei?

Stephen: Es ist nicht so, dass sich die Leute um unser Bier reissen, weil es von hier, aus Rapperswil ist. Dass es anders schmeckt wiegt schwerer, als dass es von hier ist. Momentan ist die Region noch unser Hauptmarkt aber wir versuchen das zu ändern. Gleichzeitig spürte ich nie eine übermassengrosse Akzeptanz oder einen Lokalbonus von den Leuten in der Gegend. Rapperswil ist nicht Zürich. Die Leute hier sind etwas reservierter. Darum probieren sie ein neues Bier nicht sogleich selber, sondern warten bis jemand anderes das Bier zuerst probiert. Gleichzeitig aber sind ein paar Restaurants und Kaffees bereits seit vielen Jahren Kunden.
Und für das Bier macht es keinen Unterschied. Jeder behauptet zwar, dass sein Wasser das allerbeste sei, aber die Wasserqualität kann man beeinflussen.

Ich habe im Zusammenhang mit dem European Beer Star das erste Mal von euch gehört. Hat die Auszeichnung etwas bewirkt?

Stephen: Als ich den silbernen Stern gewonnen habe, wurde das vor allem in der Region beachtet. Damals haben die Leute noch über die Brauerei gelacht: „Das Bier kann man nicht trinken!“ Nach dem ich die Sterne gewonnen habe, haben die Leute aufgehört zu lachen. Die Attitüde der Leute hat sich geändert, da sie plötzlich wussten, dass ihnen das Bier vielleicht nicht schmeckt, es aber kein schlechtes Bier sein kann. Und auch bei mir haben die Auszeichnungen etwas bewirkt: Sie haben mich motiviert weiter zu machen.

Auch ihr habt schon Collaboration-Biere gebraut. Wie entsteht ein solcher Kontakt? Wird diese von einem Vertrieb hergestellt?

Stephen: Wir haben zusammen mit der Birrificio Ticinese gebraut. Das ist über persönliche Kontakte entstanden. Auch die Brauerei in den USA mit der wir im Gespräch sind, basiert auf persönlichen Kontakten: Ich besuchte die Brauerei und im Gespräch entstand die Idee.

In euren entsprechenden Arbeitsfeldern, welchen Rat würdet ihr jemanden geben der eine Brauerei gründen möchte?

Gabriel: Stell zuerst sicher, dass du liquid bist. Heutzutage denken viele: Oh, die Leute trinken Bier, also braue ich schnell ein Bier. Als Homebrewer wisst ihr aber, dass es nicht so einfach ist ein gutes Bier zu brauen. Das Wichtigste was die Leute momentan machen können ist es den Leuten etwas über ihr Produkt mitzuteilen.

Du meinst also, dass es im Moment immer noch von zentraler Bedeutung ist, den Leuten die unterschiedlichen Macharten und Möglichkeiten von Bier zu erklären?

Gabriel: Das ist wenigstens meine Meinung. Andere wählen eine andere Strategie.
Chopfab zum Beispiel steckt allen Effort in den Verkauf und man findet die Biere bereits überall. Sie haben aber erst vor zwei Jahren angefangen. Das ist ein sehr effektiver Verkauf und ihre Preise sind auch recht tief. Die zweite Linie, Doppelleu, vermarkten sie nicht so stark. Sie sind übrigens Aktienbesitzer in unserer Brauerei. Ich mag ein paar, aber nicht all ihre Biere.
Die andere Herangehensweise ist, dass leerreiche Informationen und Motivation zum Probieren der Branche langfristig helfen. Die Leute müssen erfahren, dass es nicht so seltsam ist andere Biere zu trinken. Davon profitieren wir alle und wir, die Bier Factory, merken das indem uns der Vertrieb von Chopfab und Sudwerk kontaktiert hat. Der Vertrieb möchte gerne mehr solche Biere im Angebot haben. Es schadet uns also nicht, dass es diese Brauereien gibt. Diese Brauereien reduzieren den Absatz von Grossbrauereien und nicht von uns. Mindestens solange sie nicht ein wirklich schlechtes Bier verkaufen, welches dann alle Kunden als repräsentativ für Craftbier erachten.

Und du Stephen, was rätst du jemanden der anfängt?

Stephen: Es ist nicht ausreichend motiviert zu sein und ein gutes Bier im Angebot zu haben. Du brauchst Kapital und wenn du kein eigenes hast, ist es schwierig dieses zu bekommen. Da der Markt den Verkaufspreis mitdiktiert, kannst du nicht einfach irgendeinen Preis verlangen. Wenn du das Bier in Läden verkaufen möchtest, dann brauchst du auch Kontinuität im Ausstoss und Geschmack.
Gabriel: Leider sieht man oft, dass neue Brauereien das gleiche Bier brauen wie alle anderen Brauereien auf dem Markt. Ich wundere mich immer, wenn eine neue Brauerei verkündet: „Wir brauen diese Bierspezialität“ welche aber tatsächlich das gleiche Bier ist wie das von allen anderen.
Stephen: Es ist einfach nur ein Lager. Ein Lager von hier!
Gabriel: Ja, meist wird die Lokalität betont.
Stephen: Das kann manchmal und hat manchmal tatsächlich funktioniert, z.B. bei Turbinenbräu. Er konnte das Bier auch für einen guten Preis verkaufen. Aber nur weil sie in den ersten zwei Jahren nichts verdient haben. Es ist ein Mythos, dass die Konsumenten bereit sind 50 Prozent mehr zu bezahlen für ein Bier, nur weil es nicht Feldschlösschen und Carlsberg ist.

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