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Interview mit Toby Munn von The Kernel Brewery

Bei allen drei bisherigen Begegnungen mit Kernel, gab es zumindest ein Bier von welchem wir begeistert waren. Nach dem ersten Besuch in der Brauerei im Jahr 2011 war es ein IPA. Am Borefts 2013 war es des fassgereifte Biere #4 und am CBC 2014 das London Sour Raspberry/Basil. Kernel in London erneut zu besuchen war damit ein No-brainer.

Das Sprichwort besagt, dass es ein gutes Zeichen ist, wenn der Koch im eigenen Restaurant speist. Das Gleiche gilt, wenn der Brauer sein eigenes Bier gerne trinkt. Nachdem Toby eine grosszügige Menge Mosaic Pale Ale in unsere Gläser gegossen hat, realisierte er, dass nur wenig für ihn selbst übrig blieb. Na-ah. Während er aus unseren Gläsern Bier in sein eigenes zurückgiesst, meint er lachend: «Kann nicht zu grosszügig sein“. Neben der paar geteilten Bieren nahm er sich grosszügig für uns Zeit und sprach mit uns über Rezepte, Grösse der Brauerei und das Fegen der Fussböden.

Welches Bier würdest du Michael Jackson ausschenken?

Das Bier, welches wir jetzt trinken: Ich bin mit dem Table Beer sehr zufrieden. Es ist sicher nicht das aufregendste Bier. Aber als Pale Ale mit nur 3%, ist es nicht das Einfachste zum Brauen. Was ich daran mag; es kann sensorisch auseinandergenommen werden und hat eine grosse Palette an Geschmacksrichtungen und Aromen zu bieten, gleichzeitig kann man es aber auch trinken ohne sich grossartig Gedanken darüber zu machen. Was mich bei diesem Bier zusätzlich zufrieden stellt ist, dass es bei unseren ersten Braugängen schon gut war, aber unterdessen halte ich es für viel besser.

Ihr habt also an der Rezeptur herumgebastelt?

Ja, alles wird kontinuierlich weiterentwickelt. Jedes unserer Pale Ales und IPAs ändert sich ein Bisschen. Wir schreiben auch den Namen des verwendeten Hopfens auf die Etiketten, da er bei diesen Bieren den Hauptunterschied im Geschmack ausmacht. Der Hopfen ist aber nicht der wichtigste Teil des Bieres. Sei es die Gährung oder das Wasserprofil, die Malzmischung, die Balance der ganzen Sache – es ist enorm wichtig, diese Dinge richtig hinzubekommen.
Wir bestehen nun seit fünf Jahren, aber wir haben noch mit keinem unserer Biere eine Art von Plateau erreicht. Das kann abschreckend wirken, aber gleichzeitig ist es schön zu wissen, was uns vorwärts treibt: Die Befriedigung, ein Bier langsam zu verbessern ist durchaus lohnend.

Ihr habt eine Reihe von Table Bieren im Angebot. Was ist der Gedanke dahinter?

Biere mit niedrigem Alkoholgehalt haben etwas für sich. Als wir angefangen haben, brauten wir eine Menge IPAs und Pale Ales und wir haben viel mehr IPAs verkauft, als wir uns jemals vorstellen konnten. Auf meiner Reise durch die Stilvielfalt der Biere, begann ich einfaches Bier immer mehr zu schätzen. Ich weiss nicht, ob es daran liegt, dass ich etwas müde bin nach Double IPA und Imperial Stouts zu streben, oder ob es inhärent Britisch ist. Biere mit niedrigem Alkoholgehalt sind tief in unserer Kultur verwurzelt.

Du hast schon einiges erwähnt, aber was in einem Bier gibt dir Zufriedenheit? Oder anders; auf welche Punkte achtest du, wenn du ein neues Bier kreierst?

Ich bin sicher, jeder sagt das; aber wir versuchen Biere zu brauen, die wir selbst gerne trinken. Wir sind klein und London ist ziemlich gross. Diese Nachfrage ermöglicht uns alles was wir brauen auch zu verkaufen. Wir müssen also nichts brauen, was wir nicht wirklich selbst geniessen.

Als du uns durch die Brauerei führtest, hast du erwähnt, dass ihr dieses Jahr das Saison schon viermal gebraut habt. Ihr seid anscheinend in einer Saison-Trinkphase?

Pale Ales und andere hopfige Biere brauen wir noch immer am Häufigsten. Dazu kommen einige Porter und Stouts, die auf alten Londoner Rezepten basieren. Wir trinken auch sehr gerne saure Biere, hatten aber bisher nicht die Möglichkeiten viele davon zu brauen. Erstens, weil wir immer noch lernen müssen. Zweitens, braucht es dafür einen dedizierten Bereich, welchen wir erst gerade eingerichtet haben. Dazu kommt, dass saure Biere immer auch sehr zeitaufwändig sind. Es braucht viel Zeit und Konzentration Biere herzustellen, wie wir es machen.

Du sagtest London ist gross genug, um all euer Bier zu verkaufen. Euren Absatz macht ihr also vor allem regional?

Wir verkaufen 70% in London. Ungefähr 20% verkaufen wir im übrigen Grossbritannien. Zwischen vier bis fünf Prozent verkaufen wir in andere europäische Länder; hauptsächlich Spanien und Italien, manchmal Belgien. Aber wir müssen noch immer potenzielle Londoner Abnehmer abweisen. Wir konnten seit acht Monaten keine neuen regionalen Kunden annehmen.
Aus einer ganzen Reihe von Gründen ist es toll, unser Bier vor Ort zu verkaufen: Ich denke Bier sollte in erster Linie eine lokale Sache sein. So ist die Wahrscheinlichkeit am Höchsten, dass es frisch beim Kunden ankommt, was uns sehr wichtig ist. Lokale Lieferung ist auch viel weniger kompliziert und der CO2-Fussabdruck ist auch kleiner. Dazu kommt, dass der Kundenkontakt einfacher ist, wenn irgendwelche Probleme auftauchen sollten.

Um zu expandieren seid ihr im April 2012 an den jetzigen Standort umgezogen. Aber die Räumlichkeiten scheinen schon wieder zu klein zu sein?

Na ja, nicht zu klein. Ich denke sie sind genau richtig.

Aber die Nachfrage ist grösser als die Produktion.

Ja. Aber das bedeutet, dass wir uns anstelle auf Wachstum darauf konzentrieren können unser Bier besser zu machen. Je grösser die Brauerei wird, je spezialisierter werden auch die einzelnen Bereiche. Beispielsweise hat Steph ein Labor eingerichtet und arbeitet mittlerweile fast Vollzeit in diesem Bereich. Wenn du wächst kannst du dir auch die tolleren Spielzeuge leisten, und dadurch ein bisschen präziser arbeiten.
Gleichzeitig gilt aber; je grösser, desto herausfordernder wird es auch das Unternehmen so zu führen, wie es dir vorschwebt. Wir sind sehr zufrieden mit unserer Grösse und der Positionierung. Das Bier ist wichtig, aber wir arbeiten auch alle sehr gerne hier und hängen auch gerne zusammen ab. Unser Fokus liegt nicht nur auf dem Bier, es geht auch darum ein gutes Leben zu führen und genügend Zufriedenheit zu aus dem gewinnen was wir tun.

Bist du zufrieden mit der Grösse, weil du dadurch auch noch Zeit zum Brauen hast?

Eigentlich habe ich dieses Jahr erst zweimal gebraut.

Vermisst du das?

Manchmal schon. Aber auch so geniesse ich es hier zu arbeiten.
Wir sind nun zu zwölft und abgesehen von unserem neusten Zuwachs haben alle vorher schon gebraut. Also wissen wir alle wie gebraut wird. Wir wissen auch alle wie die Abfüllanlage funktioniert, alle helfen die Bestellungen zusammenzustellen, Mittagessen zu kochen und was sonst noch so alles anfällt. Jeder von uns hat also eine Verbindung zu unseren Produkten und jeder gibt alles. Das macht schon Spass.
Es ist definitiv eine Herausforderung alle für alles einzuarbeiten und dass alle etwa auf dem gleichen Level sind. Aber wir verfügen über genügend technische Kenntnisse, dass das ganz gut klappt.

Was tust du am häufigsten?

Ich schiebe gerne meine Arbeit vor mich her. Nein. Ich mache ein paar langweilige Dinge wie SOPs (Standard Operating Procedures) schreiben, Brandrisikobewertungen und andere ähnlich spassige Dinge. Aber ich habe Mühe damit mehr als ein paar Stunden an meinem Schreibtisch zu sitzen. Also fege ich die Fussböden, versorge Kegs und sonstiges Zeugs.
Ich bin nun seit vier Jahren hier und es ist völlig anders wie damals. Auch wenn wir nicht Expandieren, ändert sich trotzdem immer wieder was und es gibt immer noch eine Menge Dinge, die wir lernen müssen.

Hast du eine Berufsbezeichnung?

Nein. [Lacht] Jemand hat mich einmal gefragt: Was machst du hier? Ähm, ich arbeite hier!

Pflegt ihr ein Standardsortiment an Bieren?

In etwa. Wir haben immer ein Pale Ale im Angebot. Immer ein IPA. Unsere Pale Ales und IPAs, sowie unser Table Beer ändern sich immer wieder, auch wenn dies teilweise auf der Etikette gar nicht erwähnt wird. Ich betrachte unser Pale Ale als ein Bier, auch wenn es von Zeit zu Zeit etwas ändert, beabsichtigt oder auch nicht. [Lacht] Also ja, wir haben drei hopfenbetonte Bier, drei, fünf und sieben Prozent. Dann haben wir eine gehopftes Porter, ein Export Stout und ein Imperial Stout. Desweiteren machen wir regelmässig das London Sour, was ein Berliner Weisse ist, und unsere Bière de Table, was ein Saison ist.
Diese Biere versuchen wir übers ganze Jahr verfügbar zu haben. Das war nicht wirklich geplant, hat sich aber so ergeben. Gelegentlich brauen wir ein Brown Ale, ein Black IPA oder ein hopfiges Red Ale. Wir haben auch ein paar Frucht-Sours und ebenfalls Varianten des Saisons. Aber es gibt keinen Grund überstürzt unbedingt etwas Neues oder Einzigartiges zu kreieren.
Wenn wir etwas machen, dann möglichst gut und so dass es uns selbst sowie jedem der es trinkt gefällt. Es ist schön, sich selbst zu pushen und andere zu inspirieren. Aber neu und innovativ zu sein ist nicht unbedingt das, was mich in irgendeiner Art inspiriert.

Wie passt die Teilnahme an internationalen Bierfestivals ins Bild, wenn ihr nicht mal die regionale Nachfrage stillen könnt?

Das ist eine sehr interessante Frage! Menno von De Molen fragte uns, «warum kommt ihr immer wieder ans Borefts Festival?». Unsere Antwort: «Weil du uns immer wieder einlädst». [lacht]
Wir gehen nicht an viele Festivals. Eines in Italien im vergangenen Jahr, normalerweise aber nur Borefts und die Copenhagen Beer Celebration.
Aber stimmt schon, wir versuchen nicht noch mehr Bier ins Ausland zu verkaufen. Wir müssen auch nicht grossartig Eigenwerbung machen. Aber diese Festivals sind schon sehr wichtig für uns. Es war eine riesige Ehre, als wir zum ersten Mal eingeladen wurden, und wir waren nicht ganz sicher, ob wir auf diesem Niveau mithalten können. Aber nachdem wir einige der angebotenen Biere versucht haben und auch durch die erhaltenen Rückmeldungen, merkten wir dass unsere Biere wohl doch nicht ganz abfallen.
Die Festivals waren sehr wichtig für mich persönlich um verschiedene Bierstile vertieft kennenzulernen. Durch die Möglichkeit mit Brauer zu sprechen, ergaben sich für uns auch viel höhere Standards und Eigenerwartungen. Evin [O’Riordain, Gründer von The Kernel] würde sich nie zufrieden geben, mit etwas das nicht das Beste ist was er machen kann. Diese Begegnungen haben uns aufgezeigt wo wir hinzielen wollen. Einige der besten erhältlichen Biere zu probieren, das inspiriert einem schon.
Die ersten paar Male ging ich wohl von Stand zu Stand „Wow, das ist grossartig, sag mir haargenau, wie du das gemacht hast“. Ein paar Monate bevor ich mein erstes Berliner Weisse gebraut habe, war ich in Kopenhagen. Dort habe ich Terry [Hawbaker] von Pizza Port Brewing in Pennsylvania mit meinen Fragen regelrecht belästigt. Wohl während Stunden über das ganze Wochenende. Schlussendlich habe ich ihm dann noch eine Tonne Emails geschrieben. Die letzten paar Mal bei Borefts haben wir andere dann in etwa gleich oft mit Fragen durchlöchert wie sie uns. Wir haben keine Geheimnisse und finden es schön einige der Dinge, die wir über die Jahre gelernt haben, weiterzugeben.

Hilft es oder hindert es die britische Bierszene, dass Marks & Spencer Eigenmarkenbier verkauft?

Darüber habe ich mir nicht viele Gedanken gemacht. Eins oder zwei davon sind unglaublich, zum Beispiel das Pale Ale von Oakham. Wenn das die Menschen neugierig macht auf neue und verschiedene Biere, dann ist das toll.

Dies sollte keine Fangfrage sein, insofern dass ich mir keine Meinung über diese Tatsache gebildet habe. In gewisser Weise ist es, wie du sagst, grossartig, dass das Interesse an verschiedenen Bieren geweckt wird und, dass diese von renommierten Brauereien hergestellt werden. Gleichzeitig könnte Marks & Spencer aber auch einfach existierende Biere dieser Brauereien ins Regal stellen.

Gut, dann könnte man aber generell argumentieren und sich fragen warum wir unser eigenes Business aufgemacht haben, es gab auch da schon genügend Biermarken zu kaufen. Es gibt so viele Leute, überall auf der Welt, die fast identisches Bier herstellen. Aber was uns wirklich Zufriedenheit verschafft ist etwas Greifbares geschaffen zu haben. Der Prozess der zum heutigen geführt hat. Und die Möglichkeit deine eigene Arbeitsumgebung zu schaffen, das finde ich grossartig.

Was können wir als Nächstes von euch erwarten?

Mehr vom Gleichen, aber besser, hoffentlich. Bis jetzt haben wir vom Berliner Weisse erst kleine Kegs gemacht und jeweils Früchte dazugegeben. Letzthin haben wir davon ein paar Batches auf der grossen Anlage gemacht.
Ich denke als Basisbier ist unser Berliner Weisse das London Sour ganz okay. Gleichzeitig finde ich es ein grossartiges Basisbier für Blendings oder eben auch für Früchtezugabe.

Euer Raspberry/Basil London Sour war eines der besten Biere des diesjährigen CBC!

Vielen Dank! Ich habe es selbst auch wirklich genossen! Wahrscheinlich hat niemand so viel davon getrunken wie ich. Gleichzeitig empfinde ich das, unter den Himbeeren und dem Basilikum liegende, Bier eigentlich nur durchschnittlich.

Anders gesagt; es ist wie Tofu oder eine gute Leinwand für Aromen.

Ja. Und die Säure ist wirklich frisch und sauber. Einige der Aromen sind nicht grossartig. Aber weil es nur drei Prozent hat sind diese wirklich zurückhaltend.
Aber ich möchte gerne mit den verschiedenen Methoden ein Berliner Weisse zu machen herumspielen.

Das heisst, du bist auch in der Rezept-Erarbeitung beteiligt?

Ja, aber auch dies ist wiederum eine Art Zusammenarbeit. Alle können ihre Ideen einbringen. Natürlich ist es eher etwas schwierig, wenn zwölf Personen ihre eigenen Ideen einbringen. Denn manchmal besprichst du mit jemand etwas über ein neues Bier, vergisst aber das Besprochene all den andern auch mitzuteilen. Aber wie gesagt, wir probieren alle an allem zu beteiligen. Jeder Geschmack hat seine Gültigkeit. Ein paar von uns haben etwas mehr technisches Wissen, aber das war‘s dann auch schon.
Ich denke die Rezept-Entwicklung ist etwas überromantisiert. Der Herstellungsprozess ist viel wichtiger. Und die stetige Verbesserung macht schlussendlich ein gutes Bier. Es kann schon sein, dass dein erster Versuch mit einem neuen Bier schon sehr gut gelingt. Aber dazu sind dann jahrelange Erfahrung oder simples Glück notwendig.

Diese Frage stellen wir allen, die wir interviewen und es ist bestimmt nicht die Beliebteste: Fünf Biere die man probiert haben sollte bevor man stirbt?

Wie gesagt, ich glaube Bier sollte eine lokale Sache sein. Nicht nur wegen der Frische, sondern auch um ein Gefühl für den Ort und die Menschen zu bekommen. Es gibt eine Reihe von Brauereien, die ich gerne besuchen, dort einige Biere trinken und die Atmosphäre geniessen möchte. Jester King in Austin, Texas. Einige in Vermont. Colorado hat auch einige sehr interessante Brauereien zu bieten. Es gibt überall sehr interessante Bierkulturen. Ich habe in Europa schon einiges abgeklappert, aber ich möchte wirklich nochmals nach Tschechien. Und ich war noch nie im Frankenland und Bayern.
Als Brauer mag ich den Gedanken, dass es nur ums Bier in der Flasche geht. Dass es also nichts mit dem Label, dem Branding oder sonst was zu tun hat. Aber das ist leider ziemlich naiv. Der Kontext ist enorm wichtig.

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