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Bierlabels 4: Yes we CAN!

Die Amis tun es schon lange, die Engländer auch, ebenso mehrere Spanier und unterdessen einige Italiener und Holländer. Und natürlich sind auch einige Schweizer dabei. Die Rede ist nicht etwa von irgendwelchen populistischen Hampelmännern, die gewählt werden. Sondern von Bier aus der Dose. Und wer jetzt über Bier aus der «Hülse» die Nase rümpft, dem sei dieser Artikel ans Herz gelegt. Und allen anderen natürlich auch.

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Ob Coop Prix Garantie, Oettinger oder Anker, sie haben eines gemeinsam: sie verkauft sich einzig und allein in der 0,5 Liter Dose. Büchsen sind also für Billigbier gedacht und gemacht. Ende der Geschichte, Fall abgeschlossen? Sicher nicht. Normalpreisbiere wie Feldschlösschen Premium, Quöllfrisch, Heineken und Becks gibt’s auch aus der Büchse.

Und dazu gesellen sich auch immer mehr Craft-Biere. Hierzulande hat Brewdog Punk IPA quasi den Beginn gemacht. Unterdessen setzen auch immer mehr Schweizer Craft-Brauereien auf Aludosen: St. Larentius, WhiteFrontier, Broken City oder auch Dr. Brauwolf bringen ihre Biere komplett oder teilweise in Dosen auf den Markt. Höchste Zeit einmal einen genaueren Blick auf das runde Ding aus Aluminium zu werfen.

In der Craft Bier Szene nicht mehr wegzudenken

Dass Getränke aus der Dose durchaus Lifestyle mit sich bringen können, hat Red Bull eindrücklich dargestellt. Craft Bier Produzenten aus den USA haben den Dosen auch bei Bier neues Leben eingehaucht. Büchsen haben viele Vorteile gegenüber Flaschen. Aber auch ein paar Herausforderungen. Diese scheinen meisterbar und die Büchse hat sich in der internationalen Craft-Bier-Szene fest verankert. Aber viele Schweizer Brauereien zögern.

Das hat sicherlich damit zu tun, dass der Glasflasche nicht dieses Billig-Bier Image anhängt, und deshalb für teures, premium Craft Bier die Dose nicht in Frage kommt. Gerade im Gastro-Bereich kommt sie nicht oder nur schleppend an. Dem Gast teures Craft-Bier aus einer Dose servieren? Da lehnen Schweizer Wirte ab. Dazu kommt, dass viele Schweizer Craft Brauereien als Hobby-Brauereien starten, wie auch im Artikel «1000 Brauereien – zu viel für die Schweiz?» dargelegt wird. Für Hobbyisten hat die Flasche den Vorteil, dass sie keine teure Abfüllmaschine braucht, sondern nur zwei Hände. Craft Bier halt. Punkt eins geht an die Flasche.

Besser fürs Bier

Craft Bier wird vor allem in braunen Flaschen angeboten, weil Licht schlicht schlecht fürs Bier ist; es verändert seinen Geschmack. Je dunkler das Glas, desto besser ist das für das Bier. Wieso also nicht direkt ein lichtundurchlässiges Material verwenden? Wie z.B. Aluminium? Das ist besser für die Qualität des Biers. Unentschieden zwischen Glas und Dose.

Wer jetzt findet, Bier aus der Dose schmecke schlicht schlechter als aus der Flasche, dem soll gesagt sein, dass man Craft Bier immer aus dem entsprechenden Bierglas trinkt und weder direkt aus der Dose, noch aus der Flasche. Nur so kann man das Bieraroma wirklich erleben. Immer? Nein, «The Alchemist-Vermont» schreibt explizit auf ihre Focal Banger und Heady Topper Dosen: «Drink from the can». Begründung: Sie haben so viel darin investiert, die ätherischen Öle des Hopfens einzufangen, dass ein Umfüllen ins Glas bereits eine Geschmacksänderung durch deren teilweisen Verlust bedeutet. Und in der Tat schmeckt es aus der Dose intensiver als aus dem Glas. Aber diese Craft-Biere sind definitive Ausnahmeerscheinungen. Hier werden keine Punkte vergeben.

Wenn wir schon beim Thema Aufdruck auf der Büchse sind, lässt sich als Vorteil für die Glasflasche attestieren, dass diese nicht bedruckt werden muss, sondern mit einer Etikette recht einfach beschriftet werden können. Nur ist eine bedruckte Dose kein muss. Auf die silbernen (oder schwarzen) Dosenrohlinge lassen sich auch bestens Etiketten kleben. Ein noch professionellerer Auftritt ohne aufwändigen Aufdruck erlaubt die Schrumpffolie, welche die Büchse vollflächig umgibt. Aber auch die Kombination von bedrucktem Rohling mit Etikette, wie dies z.B. La Nebuleuse macht, ist eine Möglichkeit. Da die Dose ein sauberer Zylinder ist und nicht wie die Glasflasche leicht gekrümmt, sind auch grossflächige Etiketten kein Problem. Zwei zu eins für die Dose.

Kleinerer ökologischer Fussabdruck

In Zeiten von Klimademonstrationen und Flugscham sollten wir natürlich auch den ökologischen Fussabdruck betrachten. Klar, am besten ist es lokales Bier aus lokalen Produkten zu trinken. Ist so eines grad nicht verfügbar, ist der Griff zur Dose zu empfehlen, weil sie viel weniger Leergewicht aufweist.

Das fällt gleich dreimal ins Gewicht. Erstens beim Transport in die Brauerei, zweitens beim Transport zum Kunden, drittens beim Transport ins Recycling. Zum Vergleich: Eine leere 3 dl Dose hat 11.5 Gramm Gewicht, eine leere Glasflasche mindestens 190 Gramm. Das sind 1652 Prozent mehr! Für 1 Liter Bier in drei Büchsen oder Flaschen müssen also entweder 1034.5 Gramm oder 1570 Gramm transportiert werden. Bei 178g CO2 pro Tonnenkilometer im LKW Nahverkehr summiert sich dies. Erst recht, wenn das Bier von weit weg mit dem Flugzeug kommt (was natürlich ökologischer Blödsinn ist), dann sind es 713g CO2 pro Tonnenkilometer. Auch dieser Punkt geht an das Ding aus Aluminium.

Ebenso ist die Ökobilanz der Dose besser als von Einwegglasfalschen, wenn es darum geht, wieviel Energie Produktion und Recycling benötigen. Die Dose ist gemäss SRF gleichauf mit Mehrwegglas oder PET (wobei PET für Bier nicht tauglich ist). Eine neue Dose aus einer alten zu produzieren benötigt zudem 95% weniger Energie als die Produktion einer neuen Dose.

Und bei einer Recyclingquote von mittlerweile 90% sieht diese Bilanz also eigentlich ganz gut aus. Und sie wird noch besser, je länger die Transportwege sind. Beobachter.ch rechnet vor, dass ab 230 Transportkilometer die Ökobilanz sogar besser ist, als bei der Mehrwegglasflasche. 4:1 für die Dose.

Preiswerte Rohlinge

Da wir gerade am Bilanz ziehen sind, sollten wir auch noch die Kosten für die Brauerei betrachten. Gemäss eigenen Internetrecherchen gibt es sowohl bei Flaschenabfüllanlagen als auch bei Dosenabfüllanlagen Maschinen verschiedenster Leistungsstufen und Qualität in allen erdenklichen Preislagen. Was jedoch, gemäss Valentin von Lab 63, eine professionelle und automatisierte Dosenabfüllanlage einiges teurer macht, als eine vergleichbare Abfüllanlage mit Kronkorken, ist der vollständig automatisierte und technisch aufwändige Verschliessvorgang (bördeln), welcher mit Sensoren und Software laufend überwacht wird. Die Qualität dieses Falzvorganges ist entscheidend für die absolute Luftundurchlässigkeit der Dose und somit für die Qualität und Haltbarkeit des abgefüllten Bieres.

Diese professionellen Verschliesser und Sensoren verteuern eine Dosenabfüllanlage entscheidend. Die notwendige Qualität des Seams spricht auch gegen einfache «Hand-Seamer», welche mit ihrer sehr eingeschränkten Kapazität ab einem gewissen Level und Absatz für Brauereien so oder so keinen Sinn mehr machen. Für den Preis der Abfüllanlage würden die Punkte an die Flasche gehen, gäbe es nicht Mobile-Canning-Lines wie sie das Schweizer Startup Lab 63 anbietet. Nach dem Shared-Economy Prinzip kommen Brauereien an ihrem geplanten Abfülltag in den Genuss einer vollautomatischen, mit Sensoren überwachten, professionellen Abfüllanlage inklusive spezialisiertem Personal ohne die hohen Investitionen selber tätigen zu müssen.

Zudem muss in die Kostenrechnung natürlich auch noch die Preise für die Dosen oder Flaschenrohlinge fliessen. Da gehen die Punkte an die Dose, welche für Kleinverbraucher mit 16 bis 19 Rappen inklusive Deckel deutlich unter den rund 40 Rappen für Flaschen (ohne Deckel) liegen. Das einzige Problem, dass sich für Kleinverbraucher stellt, ist, dass Dosen nur in enorm grossen Mengen bestellt werden können, während Glasflaschen auch in kleinen Gebinden bei Resellern erhältlich sind. Deshalb werden hier keine Punkte vergeben.

Unter Druck

Dass sich die Dose nicht hinter der Flasche verstecken muss, zeigt sich auch, wenn es um die Abfüllung geht. Wer keine Drucktanks hat, setzt normalerweise auf die Nachgärung in der Flasche, bei welcher durch Zuckerzugabe die Hefe noch einmal aktiviert wird und in der verschlossenen Flasche dann für die Kohlensäure sorgt. Der genau gleiche Prozess kann auch in der Alu-Dose angestossen werden. Diese hält nämlich, sofern richtig verschlossen, bis zu 6 Bar Druck aus. Das ist vergleichbar mit dem Druck, der sonst nur die Champagnerflasche, die stabilste und entsprechend schwerste Flasche im Handel, aushält. Ein weiterer druckvoller Punkt für die Dose.

Somit lässt sich auch bei Zimmertemperatur und ohne Gegendruck abfüllen. Die Kohlensäure entsteht dann in der Dose. Soll hingegen ein bereits karbonisiertes Bier abgefüllt werden, muss es entsprechend gekühlt sein. Je mehr Kohlensäure es enthält, desto kälter muss es sein. Schlussendlich unterscheidet sich dieser Punkt jedoch kaum von der Abfüllung in die Flasche. Es bleibt beim 5:1 für die Dose.

Apropos Abfüllung: Ein Nachteil der undurchsichtigen Dose ist die Tatsache, dass wenn das Ding mal zu ist, eine Nachkontrolle über den Inhalt nicht mehr möglich ist. So ist es mir passiert, dass ich eine 44cl Aludose hatte, welche nur ca. 2/3 gefüllt war. Da mir bisher noch nie ähnliche Erlebnisse anderer zugetragen wurden, ist die Wahrscheinlichkeit, dass dies passiert, wohl etwa so gross, wie dass die Dose platzt. Auch das ist mir kürzlich passiert, kann aber genauso bei Flaschen vorkommen, wie mir von mehreren Stellen berichtet wurde. Also keine Punkte.

Einfach praktisch

Nun, da die Brauereiseite abgedeckt ist, nochmals zurück zu den Biertrinkern. Für den Konsumenten ist die Dose nämlich gleich mehrfach besser. Bereits erwähnt wurde die Licht- und Luftundurchlässigkeit. Letztere erlaubt es nämlich, dass die Dose stehend und liegen gelagert werden kann (wobei bei der liegenden Lagerung der Hefesatz natürlich an der Wand ist und damit viel eher im Glas landet). Zweitens kann sie gestapelt werden, was stehend viel Platz spart. Und fällt sie einmal zu Boden platzt sie nicht gleich in tausend Stücke. Wer Glück hat, hat sogar nur eine Delle in der Dose. Klares Plus also beim Handling, 6:1 für das Ding aus Aluminium.

Die Liste könnte wohl noch weitergeführt werden, am Endresultat würde sich jedoch nur noch wenig ändern. Es wäre also höchste Zeit, dass sich nicht nur Craft-Bier-Enthusiasten von den Qualitäten der Dose überzeugen lassen. Sondern, dass auch die vielen Micro- und Nano-Brauereien in der Schweiz, die Gastro-Szene und die Craft-Bier-Novizen statt zur Glasflasche zur Alu-Dose greifen und damit das letzte bisschen Staub, dass noch am Image der Dose hängt, definitiv abwischen würden.

Was sind deine Erfahrungen und Präferenzen mit Dosen und Flaschen? Schreibe uns in den Kommentaren.

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One comment
  1. Kaspar Scheidegger

    Ich würde gerne Dosen, aber mit 120l sudgrösse kommt lab63 noch nicht und selber abfüllen braucht 5000.- (danican) Investition und dauert viel lönger. Abgesehen davon kosten Flaschen im 2888 er palett etwa 25rappen. Grüsse! Kaspar der Shrinkbrew

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