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Interview mit Tom Hutchings von Brew By Numbers

In London geht bezüglich Bier die Post ab. Noch vor wenigen Jahren war es in einem traditionellen Pub einfacher ein Budweiser zu bekommen, als ein gutes Craft Beer aus einem Keg. Doch die Situation hat sich geändert, und im Fahrwasser von The Kernel und Camden Town wurden viele Brauereien gegründet, darunter Partizan, Beavertown oder Brew By Numbers. Gegründet von Dave Seymour & Tom Hutchings, braut BBNo unprätentiöse und köstliche Biere, wie auch sie unprätentiös sind. Jeden Samstag öffnen sie als Teil der legendären Bermondsey Biermeile die Brauereitüren. Ein Besuch lohnt sich.

Wir haben uns vor knapp einem Jahr getroffen, ein langes und interessantes Gespräch in der Brauerei geführt, doch dann waren die Aufnahmen leider kaputt und das Interview verloren.

Entsprechend zuerst einmal Danke, dass du noch mit uns sprichst. Zweitens, das erlaubt mir eine offensichtliche Frage: Was ist bei Brew By Numbers seit damals passiert?

Wir übernehmen einen weiteren Zugbrückebogen, der etwa 50% grösser ist als der erste Bogen. Wir verwenden ihn als Lagerhaus und um unsere Biere im Fass auszubauen.
Im Vereinten Königreich gibt es einen reduzierten Steuersatz für Brauereien welche weniger als 5’000 Hektoliter pro Jahr brauen. Nach der Expansion werden wir ungefähr auf diese Menge kommen. Generell haben wir viel höhere Kosten und damit das gut funktioniert und wir auch ausreichend Bier verkaufen können, muss unser Geschäft rund laufen.
Seit wir uns zum letzten Mal getroffen haben, haben wir ein wenig Geld verdient, aber es gab immer etwas das wir kaufen mussten. Was immer auf unser Konto fliesst, ist auch gleich wieder ausgegeben. Doch das ist wohl normal während ein Unternehmen wächst. Dann arbeiten unterdessen zehn Leute für uns. Ich war noch nie zuvor ein Arbeitgeber, und es fühlt sich gut an, die Leute so zu behandeln wie ich gerne behandelt worden wäre.

Wer sind die Leute und was machen sie bei euch?

Wir haben drei Leute im Verkauf. Dann haben wir auch drei neue Brauer, sowohl Anfänger wie auch eine Person die im September dazu stossen wird und welche die Brauerausbildung in Edinburgh abgeschlossen hat. Wir sind bestrebt, Leute mit unterschiedlichen Fähigkeiten einzustellen. Chris, zum Beispiel, war früher Bier-Blogger. Es hat grosse Vorteile ihn im Team zu haben, da er etwas über ein Arbeitsfeld weiss, von dem weder Dave noch ich wirklich eine Ahnung haben.
Dann möchten wir mehr Events organisieren, so in der Art wie denjenigen welchen wir mit Tim Anderson, Gewinner von MasterChef, durchgeführt haben. Das ermöglicht uns neue Leute anzusprechen und sie in die Brauerei einzuladen, um mit ihnen einen Anlass durchzuführen oder eine Collabo zu machen.

In der Broschüre die hier am London Craft Beer Festival abgegeben wird, steht auch, dass ihr euer Bier gerne in einen kulinarischen Kontext stellt. Kannst du das etwas ausführen?

Wir arbeiten gerne mit anderen artisinalen Herstellern zusammen, auch solchen ausserhalb der Bierwelt. Wir würden zwar gerne mehr Collabos mit Brauereien machen, aber es ist ebenso grossartig mit Leuten zusammen zu arbeiten welche aus einem ganz anderen Feld kommen und deswegen eine ganz andere Perspektive haben. Das finde ich unendlich interessant. Zum Beispiel macht es sehr viel Spass Bier und Käse miteinander zu pairen und das mit jemandem der Käse herstellt zu organisieren. An solchen Anlässen lernt man extrem viel, und wir profitieren sehr davon.

Du hast bei unserem letzten Treffen erzählt, dass ihr an einem Wettbewerb von Meisterkoch Michel Rue teilgenommen habt und den zweiten Rang erreicht habt. Bier und Essen miteinander zu paaren scheint euch wirklich wichtig zu sein.

Ja, solche Sachen sind wirklich grossartig und erlauben Bier in neue Sphären vorzustossen. Und das Restaurant Luksus in New York ist das erste mit einem Michelinstern ausgezeichnete Restaurant, das ausschliesslich Bier ausschenkt. Es ist sehr schön zu sehen, dass Bier mit Weltklasse Küche kombiniert wird.
Wir sind sehr bestrebt unsere Biere auch in Restaurants zu verkaufen, weil die Markenbindung dort viel höher ist. Du erinnerst dich viel eher an ein gutes Bier, wenn du dieses zu einem guten Essen getrunken hast. An all die Biere die du an einem Samstagabend im Pub trinkst erinnerst du dich hingegen viel weniger gut, auch weil du nicht nur eines trinken wirst.

Unser letztes Meeting hat ja dazu geführt, dass der Kontakt zu Jonathan von Beers-N-More in Zürich zustande kam. Wir sind nun also in der glücklichen Lage, eure Biere in der Schweiz zu erhalten. Letzthin trank ich also euer Export Stout und habe nach dem Einchecken auf Untappd ein Toast von BBNo gekriegt. Macht ihr das systematisch?

Untappd ist ziemlich hilfreich, weil du schnell sehen kannst wer gerade dein Bier trinkt. In gewissen Fällen wissen wir nämlich nicht welche Wege unsere Biere nach dem Zwischenhändler noch nehmen. Da wir viel Zeit für die Qualität unserer Bier aufwenden, ist es uns auch wichtig, dass diese an guten Orten verkauft und dort gut präsentiert werden. Dass die Biere nicht nach dem Ablaufdatum verkauft werden ist uns auch wichtig, denn wir hatten schon Fälle wo wir in Onlinestores Biere gefunden haben, die ein bisschen alt waren. Vor allem hopfige Biere müssen möglichst frisch getrunken werden. Darum ist Untappd für uns ein wichtiges Tool, um unsere Biere zu verfolgen und auch mit den Kunden direkt zu interagieren.
Ein paar Wochen nach der Lieferung in die Schweiz kam ein Typ zu uns in die Brauerei und meinte „Oh, euer Bier hab ich schon in Zürich getrunken“. Das war recht witzig.

Wohin schickt ihr denn eure Biere momentan?

An viele Orte. Zum Beispiel Japan, eine Lieferung ist gerade unterwegs nach Singapur. Wir schicken in unregelmässigen Abständen Bier nach Skandinavien. Dann Spanien und hoffentlich bald auch Frankreich. Irland nicht zu vergessen, da senden wir ziemlich viel hin.
Wie gesagt, wir sind mitten in einer Expansionsphase. Wir versuchen möglichst viele Kontakte herzustellen, treffen viele gute Leute, Händler und bauen so gute Verbindungen auf. Wenn wir also wachsen, hoffen wir mehr Bier an dieses Netzwerk liefern zu können.

Viele Brauereien scheinen mit Export zögerlich umzugehen, ihr hingegen sucht diesen schon fast.

Für uns ist es wie betont wichtig, dass unsere Biere an Orte kommen, wo die Leute diese schätzen und wo die Leute auch offen sind immer wieder was Neues auszuprobieren. Wir versuchen uns also eher von oben nach unten zu arbeiten. Zum Beispiel probieren wir in Barcelona lieber in unsere absolute Lieblingsbar aufgenommen zu werden, als unser Bier einfach an irgendeine Bar in Grossbritannien zu senden.
Als wir begonnen haben, waren unsere Preise etwas höher, aufgrund unserer Ausstossmenge. Einige Orte in Grossbritannien sind sehr preissensitiv, das kann dann deine Verkaufszahlen schon sehr beeinträchtigen. Zum Beispiel war es schwierig für uns im Norden zu verkaufen, da die dortigen Brauereien nicht mit dem selben Overhead rechnen müssen wie wir hier in London. Hingegen in anderen Orten, wie in Skandinavien, war das nie ein Thema, weil unsere Biere dort noch immer verhältnismässig günstig sind.
Es ist auch aus unternehmerischer Sicht interessant; bei Exporten wirst du meist im Voraus bezahlt. Für ein kleines, wachsendes Unternehmen kann das sehr hilfreich sein.

In deiner Email-Signatur steht „Mit-Gründer und Brauer“. Du sagst aber, dass ihr Brauer eingestellt habt. Wie oft kommst du noch zum Brauen?

Leider momentan etwas wenig. Das letzte Mal vor ein paar Monaten, glaube ich. Im Momentan kümmere ich mich darum, die Prozesse für Verkauf und Finanzen zu definieren. Wir beide, Dave und ich, sind neu im Business und lernen ständig dazu. Wir probieren also die Dinge zu strukturieren, weniger das Chaos herrschen zu lassen. Ich hoffe der Punkt kommt dann mal, wo ich einen Schritt zurück ins Brauhaus machen kann. Evin von The Kernel braut alle vierzehn Tage. Auf sowas hoffe ich für mich eigentlich auch.
Wir sind ebenfalls dabei unsere Pilotbrauerei in Gang zu bringen. Damit können wir dann vermehrt Tests und Experimente durchführen. Das ist dann wieder ein bisschen wie früher im Keller. And mit 100 Liter hast du natürlich nicht so grosse Verluste, wenn mal was daneben geht. Bei 2’000 Liter war da jeweils schon etwas mehr Risiko dabei.
Ich hoffe also, dass wir einige interessante Rezepturen heraustüfteln können. Wir werden mit Fruchtpürees und –säften und sonstigen Dingen arbeiten können. Wir haben auch schon erfolgreich mit belgischen Stilen und auch Eichenfasslagerung experimentiert. Ja, das wird sicher sehr spassig.

Wie geht’s denn dem „barrel program“?

Wir sind in der Startphase und stecken noch ziemlich in den Kinderschuhen. Wenn der neue Brauer im September zu uns stösst, werden wir das Programm erweitern. Wir werden zusätzlich noch Foeders anschaffen. Dann werden wir altes mit neuem Bier schneiden können, das wird sehr aufregend.

Gibt es weitere Dinge, die erst durch die Expansion möglich werden?

Die Hauptsache ist, das Geschäft auf eine solide Basis zu stellen. Dass alle glücklich sind mit ihren Rollen und ihrer Verantwortung. Momentan geht es halt manchmal chaotisch zu und her, dies zu synchronisieren ist nicht einfach.
Wir haben jedoch jetzt vermehrt Biere vorrätig, wir werden nicht auf ein Kernsortiment wechseln, aber können nun doch mehr unserer Saisons anbieten.

Sind also die Saisons eure populärsten Biere?

Ja, zusammen mit unseren Session IPAs sind das unsere Best Sellers. Durch unsere Saisons sind wir bekannt geworden. Und ich möchte das auch weiterhin pushen, um aufzuzeigen wie variabel diese Biere sein können. Es gibt so viel Spielraum, mit verschiedenen Hopfen, neuen Hopfensorten, Früchten, Zesten und sonstigen Dingen.
Ich nehme an, das zeigt sich auch in eurem Nummerierungssystem Saisons haben da die Nummer 01. Und heute habe ich die Nummer 11|11 gesehen.
Das ist unsere elfte Version unseres Session IPA. Einige der Rezepte werden bleiben, weil sie halt besser funktionierten als andere. Es gibt Kombinationen von Hopfen die einfach perfekt passen.

Als habt ihr schon einige der Nummern verabschiedet?

Einige haben wir mehr als einmal versucht zu brauen, aber das hat dann nicht so gut funktioniert, aus verschiedenen Gründen. Es ist halt auch immer ein Bisschen Versuch und Irrtum. Zum Beispiel denkst du, dass zwei ziemlich unterschiedliche Hopfen sehr gut zusammen passen würden, aber es kann dann halt sein, dass die in Kombination ein unerwünschtes holziges Aroma ausbilden.
Am Schluss ist es schon so, dass wir einige Nummern haben, die wirklich gelungen sind und die wir auch gerne wieder brauen. Klar das macht Spass. Es ist halt manchmal auch einfach etwas Glückssache, wenn gewisse Dinge gut zusammenpassen. Und es ist grossartig mit verschiedenen Zutaten herumzuspielen. Zudem kann es immer wieder vorkommen, dass gewisse Hopfen gerade nicht erhältlich sind. In so einem Fall können wir dank unserem Nummernsystem trotzdem brauen. Dieses Jahr konnten wir fast keinen Nelson Sauvin bekommen – einer unser liebsten Hopfen. Der war wirklich rar. Es gibt dafür neue Entwicklungen, auch europäische, wie Hallertau Blanc.

Eine Frage, die wir allen Interviewpartner stellen: Welches deiner Biere hättest du Michael Jackson serviert?

Das Bier, was mir bis jetzt am besten gefallen hat, war unser erstes Tripel 14|01, welches dann in Weissweinfässer aus dem Burgund ausgebaut worden und als 12|05 veröffentlicht wurde. Eigentlich glaube ich nicht, dass bei diesen Wein und Bier Kombinationen viel mehr als der Fassgeschmack ins Bier übergeht. Dennoch möchte ich diese Kombinationen weiter ausprobieren und erforschen. Es wird interessanterweise gar nicht so oft gemacht. Die Belgier sind sehr erpicht, die Biere in einer bestimmten Art zu machen. Lambics gehen in Fässer, während zum Beispiel Tripel, Single und Dubbel, ja sogar Saison, eigentlich nie ins Fass kommen. Das ist schon ein spannendes Feld für Experimente.

Triple scheint mir eher ein Bierstil zu sein, bei dem noch nicht so viel ausprobiert wurde. Und oftmals sind Tripel sehr langweilig. Zum Beispiel hatten wir gestern eines, dass sehr viele Ester vorwies und deswegen stark nach Bananen schmeckte.

Ein gutes Triple zu brauen ist nicht einfach. Dasjenige welches wir brauen, vergähren wir während sechs Wochen bei kalten Temperaturen. Wenn man das Bier im Gärtank lagert, ermöglicht das einem die kantigen Alkoholgeschmäcker und Ester auszubalancieren.
Aber es ist ein Stil der viel Variation erlaubt, und ich liebe es damit zu spielen, zum Beispiel Früchte dazu zu geben oder verschiedene Hopfen. Triple haben sehr viel Potential.

Die Triple sind die Nummer 14. Wie hoch gehen die Nummern unterdessen oder anders gefragt, wie viele verschiedene Bierstile habt ihr schon gebraut?

Ich glaube wir haben die Nummer 17 erreicht. Aber da ist zum Beispiel die Nummer 25, White IPA. Wir haben ein paar Nummern ausgelassen, einfach um es noch komplizierter zu machen. Doch hoffentlich füllen wir diese Lücken mit der Zeit. Doch als wir angefangen haben, legten wir ein paar Reihen fest, z.B. IPAs sind 5, Black IPA ist 15 und entsprechend ist White IPA 25.

Habt ihr dieses Nummer-System ausgewählt, weil euch keine Namen eingefallen sind?
Ja, mit dem System sparen wir sehr viel Zeit, da wir uns keine Wortspiele einfallen lassen müssen. Wir haben unterdessen etwa 90 verschiedene Biere gebraut. Und wegen den Nummern können wir kreativer sein. Wir müssen nicht jedes Mal ein neues Label kreieren, einen Namen erfinden und dann das Branding dafür entwickeln. Wir sind viel freier beim Rumspielen, und unsere Kunden können die Biere eindeutiger identifizieren, z.B. eine Nummer die ihnen besonders schmeckte oder welche sie bisher noch nie probiert haben.

Du hast das Thema bereits gestreift: Möchtet ihr irgendwann ein Grundsortiment haben?

Das würde unser Leben sicherlich einfacher machen (lacht). Doch aus welchem Grund sollten man das machen? Klar, wir könnten einfach zwei verschiedene Saisons brauen. Doch ich glaube kaum, dass damit ein Brauer glücklich werden würde sondern eher sehr schnell gelangweilt. Und wie bereits erwähnt, wenn man mit einer bestimmten Zutat braut und diese momentan nicht verfügbar ist, dann müsste man sein Rezept anpassen. Was den Leuten unter Umständen nicht gefallen würde. Entsprechend habe ich lieber die Freiheit mit den Rezepten zu spielen. Auch aus Lerngründen: Wenn wir zum Beispiel einen neuen Hopfen erhalten, der noch nicht oft verwendet wurde, dann können wir ein Single Hop Bier brauen. Und das Bier wird uns einen Eindruck vermitteln, wie dieser Hopfen schmeckt und was wir mit ihm machen könnten.

Soweit ich mich erinnern kann, wurdet ihr durch BrewDog teilfinanziert. Unterstützen sie euch weiterhin?

Ja, sie helfen uns weiterhin ein Bisschen, zum Beispiel bestimmte Hopfensorten zu bekommen. Auch bei anderen Unternehmenssachen waren sie uns behilflich. Sie halten eine Minderheitsbeteiligung. Der Rest gehört uns und unseren Familien. Entsprechend kontrollieren sie die Brauerei nicht. Das war uns beiden wichtig, denn das hätte nicht wirklich gut funktioniert.

Dann zum Schluss noch unsere Abschlussfrage: Welche fünf Biere empfiehlst du uns zum Probieren, bevor wir sterben?

Eines davon muss ein Bier von Cantillon sein – es gibt so viele richtig gute, aber vielleicht Lou Pepe oder Vigneronne?
Desweiteren Pliny [The Elder]. Anchorage White Out, Susan von Hill Farmstead, 3 Fontain Kriek und Heady Topper von The Alchemist.

Du hattest die also schon?

Ja. Es gibt immer wieder Leute welche diese Biere rüberbringen und mit denen man tauschen kann. Und Biere wie Pliny sind grossartig, wenn man sie frisch kriegt.
Und etwas von Hill Farmstead zu bekommen ist auch immer toll.
Das Saison von BFM war aber auch grossartig.
Ausserdem machen Jolly Pumpkin und Jester King grossartige Biere. Was auch interessant ist, dass die ziemlich grosse Brauereien haben, ihre Produktion unserer ähnlich ist, 1’000 Hektoliter, sie aber 90% der Produktion in der Brauerei verkaufen.
Dann gibt es natürlich auch grossartige Biere im Vereinten Königreich, zum Beispiel hatte ich ein richtig gutes Gose von Howling Hops.

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