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Interview mit Jean Van Roy von der Brasserie Cantillon

Es war ein steiniger Weg um das zu bleiben, was sie sind. Jean van Roy – Kämpfer, Bierflüsterer, Ikone – erinnert sich, bedankt sich und freut sich, dass seine Biere endlich auch zum Kochen verwendet werden. Eine der renommiertesten und nachgefragtesten Brauereien der Welt: Cantillon.

Welches deiner Biere hättest du Michael Jackson, dem Beerhunter serviert?

Ich denke unser Lambic, weil es unser Grundbier ist. Lambic hat eine riesige Bedeutung für eine Lambic-Brauerei, weil daraus das Gueuze und die Fruchtbiere hergestellt werden. Es ist auch, neben dem Iris, das einzige Bier das wir brauen. Iris macht aber nur ca. 5% unserer Produktion aus.
Ich würde ihm aber wohl ein Altes ausschenken, weil es delikater, eleganter und mit mehr Charakter daher kommt als ein Frisches.

Wie hat dir dein Vater das Blending beigebracht?

Das kann man nicht lehren. Das passiert über Verkosten und über das verkostete Bier zu sprechen. Warum würdest du es verwenden, weshalb nicht? Dieses Gespräch führt man jeden Tag. So wie man nicht immer dasselbe Lambic braucht, wendet man auch nicht immer den selben Verschnitt für ein Gueuze oder ein Fruchtbier an.
Auch Blende ich heutzutage nicht auf die gleiche Weise wie das mein Vater vor 20 Jahren gemacht hat, weil die Biere anders geworden sind. Das Rezept blieb das Gleiche, das Material ist das Gleiche und wir wenden gleich viel Zeit für die Produktion auf. Wir arbeiten aber mit neuen Holzfässer. Neu heisst bei uns immer Secondhand-Fässer, die das erste Mal für Bier eingesetzt werden. Das ist der grosse Unterscheid.
In den 70iger und 80iger Jahren war es sehr schwierig Lambic und Gueuze zu verkaufen. Eine Vielzahl der Lambicbrauer hatten Mühe zu überleben oder mussten gar schliessen. Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es über 50 Brauer und Blender in Brüssel, ohne das umgebende Buitenland mitzuzählen. Alle bis auf Cantillon sind verschwunden. Ich glaube die Letzte hat Ende 70iger geschlossen. In diesem Zeitraum hat also mehr als ein Lambicproduzent pro Jahr das Geschäft aufgegeben.
Damals hatten wir kein Geld um uns neue Fässer anzuschaffen, so mussten wir also die vorhandenen bis zum Letzten ausreizen. Alte Fässer geben einen anderen Geschmack ab. Zusätzlich hatten die damaligen Fässer eckige Spundungsöffnungen was mehr Luftkontakt mit dem Bier zur Folge hatte. Die heutigen runden Öffnungen lassen sich viel besser abdichten.
Seit zwanzig Jahren geben wir der Fermentation mehr Beachtung. Wir befüllen die Fässer nur noch einmal nachdem die Hauptgärung durch ist. Nach dem Füllen lassen wir die Fässer für ein bis mehrere Jahre stehen. Früher wurden die Fässer nicht ganz aufgefüllt und nur einfach abgedichtet und dann für eins bis drei Jahre gelagert.
Unsere heutigen Blends haben den typischen Geschmack der erstmalig verwendeten Fässer. Wenn du ein Wein- oder ein Cognacfass benutzt wird das Lambic den Geschmack des vorherigen Produkts aus dem Holz extrahieren. Vor dreissig Jahre hat das nicht so stattgefunden, weil wir uns keine neuen Fässer leisten konnten und die, die wir verwendet haben, waren sehr alt. Heute müssen wir das beim Blending berücksichtigen und die Technik entsprechend anpassen. Darum Blende ich heute nicht mehr so, wie es mir mein Vater vor zwanzig Jahren gezeigt hat.
Darum ist das Resultat alles in allem auch unterschiedlich. Wir produzieren weiterhin traditionelles Lambic, die Biere sind aber nicht mehr so sauer. Ich denke, dass meine Biere weicher und delikater sind.

Lehrst du – oder besser besprichst du – das Blending mit deinem Sohn Florian?

Von Zeit zu Zeit, ja. Er arbeitet seit Dezember in der Brauerei. Er hat sein Studium an der Universität begonnen, das war aber die falsche Wahl [lacht]. Als er im Dezember unterbrach, habe ich ihm gesagt er könne nicht einfach zu Hause sitzen, weil wir in der Brauerei jemanden brauchen.
Es war nicht seine Entscheidung in der Brauerei zu arbeiten, wohl eher eine gefühlte Verpflichtung… er arbeitet sehr gut und ist zufrieden mit seiner Tätigkeit. Ich spüre jedoch die Leidenschaft noch nicht. Ich denke, dass es zwei Dinge braucht, um Lambic zu produzieren; Liebe und Leidenschaft. Das beziehe ich aufs Herstellen von traditionellem Lambic, bei falschem Lambic ist es eine ganz andere Geschichte.
Als Brauer von traditionellem Lambic musst du die Brauerei und das Bier spüren können. Das Bier und du bilden eine Partnerschaft. Ich kontrolliere das Produkt nicht. Ich kontrolliere die Vergärung nicht. Darum mag ich auch nicht Braumeister genannt werden, denn ich bin kein Meister; ich dominiere mein Bier nicht.
Eine Lambibrauerei verlangt dir viel mehr ab als eine klassische Brauerei. Ich möchte nicht sagen, dass die Brauerei mich braucht, aber… nun, wenn der Winter und somit die Brausaison bevor steht, verreise ich nicht. Und wenn dann nur für ganz kurze Zeit. In dieser Zeit brauen wir mehrmals pro Woche und teilweise auch am Wochenende.
Ich spüre bei Florian diese Leidenschaft heute noch nicht. Er wird sich irgendwann entscheiden müssen. Manchmal kommt er mit mir zum Blenden. Aber wie gesagt, es ist kein Lehren sondern Verkosten.

Wenn du sagst, dass dein Sohn die Brauerei eventuell nicht übernehmen könnte haben wohl einige Leute eine Herzattacke. Weil das könnte bedeuten, dass niemand die Brauerei übernimmt. Könnte das passieren?

Ich denke nicht. Ich habe noch einen Sohn und fünf Neffen.

Siehst du bei ihnen die Leidenschaft?

Nein [lacht].
Aber sie sind auch noch sehr jung. Florian ist der Älteste; er wird nächsten Monat zwanzig. Das ist immer noch etwas jung um über die Zukunft zu entscheiden. Ich bin auch erst 48 und für die nächsten zwanzig Jahre noch da. Und innert diesen zwanzig Jahren werden wir bestimmt jemanden finden, Familie oder auch nicht.

Denkst du, dass es einen Turnaround geben kann und es bald wieder mehr Lambicproduzenten und Blender in Brüssel geben wird?

In Brüssel nicht, einfach weil die Produktion sehr viel Platz einnimmt. Wenn man Lambic produzieren will, dasselbe gilt auch für Blender, ist der Kauf oder aber auch nur schon die Miete der Fläche viel zu teuer – ausser natürlich du hast ein sehr grosses Vermögen. Ich denke also, dass man spontanvergorene Biere ausserhalb Brüssel produzieren würde, wo die Grundstückspreise tiefer sind als in der Stadt selbst.
Der grosse Vorteil eines Standorts in der Stadt ist die Nähe und dass Touristen einfach auf Besuch kommen können, wenn man seine Räumlichkeiten dem Publikum zur Verfügung stellen möchte, wie wir das machen. Die Stadt hat aber gleichzeitig auch Nachteile. Es gibt Verkehrstaus, die Strassen sind eng, so dass Lieferungen per LKW immer ein Problem darstellen. Es gibt keine Parkmöglichkeiten. Angesichts alledem, ist es sehr herausfordernd eine Brauerei in der Stadt zu betreiben.
Und wir sind besonders verrückt, denn die Strasse bei unserem zweiten Standort ist noch viel enger als hier [lacht].

Das hast den Lebenszyklus von Fässer erwähnt. Wie lange dauert der typischerweise?

Das kommt auf die Fassart an. Wenn wir ein Fass erhalten, das für uns neu ist, wurde das vorher aber sicher schon fünf bis sechs Mal verwendet. Wir brauchen sie dann zwischen 15 und 20 Jahren. Im Ganzen werden die Fässer also zwischen 20 und 25 Jahre gebraucht.

Du hast den Unterschied zwischen deinen und den Bieren deines Vaters erwähnt. Neben dem Unterschied im Gebrauch der Fässer, hast du auch noch Techniken oder Prozesse verfeinert?

Techniken? Nicht wirklich. Wie gesagt, haben wir daran nichts geändert. Der einzige Unterschied war der Gebrauch von neuen Fässer und die Art wie wir die Vergärung ein wenig besser kontrollieren können. Daneben haben wir nichts geändert, weil es unmöglich ist etwas zu ändern.
Wenn du das traditionelle Lambic bewahren willst, ist es wichtig im gleichen Brauverfahren weiterzuarbeiten. Unsere Vorfahren, so denke ich, waren keine dummen Leute. Wenn sie entschieden haben dieses Bier auf diese Weise herzustellen, zum Beispiel eine bestimmte Kirsche für das Kriek zu verwenden, dann war es weil es das Beste für die Art der Produktion und das Material war. Never change a winning team. Und Lambic gehört bestimmt zu den Gewinnern!
Es war auch vor 30 Jahren schon ein Gewinner, auch wenn niemand danach verlangt hat. Und auch heute ist Lambic das faszinierendste Bier der Welt.

Wer produziert die Würze für die Blender?

Hauptsächlich Lindeman’s und Boon. Wir arbeiten mit einem Blender zusammen; Tilquin. Wir brauen zweimal im Jahr. Er fragt nach mehr, aber die Saison um Lambic herzustellen ist sehr kurz, sie beginnt im Oktober/Anfangs November und endet im März/Anfangs April. Wenn die Temperaturen in der Nacht nahe Nullpunkt sind, ist es ideal um Lambic herzustellen. Ausserhalb dieser Saison ist es unmöglich Lambic zu machen.

Was würde passieren wenn du im Juni braust?

Es hat ein schlechtes Aroma; nach Schwefel und käsig.
Das wäer nicht nur riskant, es wäre mit Sicherheit ein Bier, welches nicht Hefe- sondern Bakterienvergoren wäre. Wir haben das im 2011 getan. Von Mitte März an hatten wir Tages- über 20 und Nacht-Temperaturen von 10-12 Grad. Die letzten beiden Sude habe ich Anfang April gebraut und davon etwa 80% verloren.

Wenn man die ganzen Mythen, den Hype und die Popularität betrachtet, gehört Cantillon heute zu den Gewinnern. Was denkst du über die ganze Aufmerksamkeit?

Ab und an habe ich das Gefühl zu träumen. Wir haben bei Null begonnen. In den 70- und 80igern und auch noch in den 90iger Jahren hat man Cantillon als Essigfabrikanten beschimpft. Lambic wurde als zu sauer, die Verwendung von Früchten als Unsinn empfunden. Damals war Fruchtbier etwas Süsses, mit Sirup oder Essenz und sicher nicht sauer und mit frischen Früchten hergestellt.
Wenn du von ganz unten kommst und plötzlich zuoberst stehst, dann ist das schwierig nachzuvollziehen. Auch heute noch, wo wir uns des Erfolges bewusst sind. Wir wissen, dass es Leute gibt die um eine Flasche Cantillon kämpfen müssen. Letzte Woche hatten wir das erste Mal chinesische Beergeeks zu Gast. Sie waren sehr enttäuscht, dass wir nicht nach China exportieren können.
Es ist sehr schwierig das Gefühl zu beschreiben, als ich das erste Mal einen Typen mit Cantillon Tattoo gesehen habe. Ich konnte es nicht glauben. Ich bin jedoch sehr stolz! Nicht für mich, nicht für die Brauerei, aber für das Bier. Wir mussten kämpfen um als Brauerei zu überleben, aber in erster und wichtigster Linie haben wir auch darum gekämpft, dass ein Bierstil überlebt: Lambic. Und das haben wir geschafft. Lambic lebt heute wieder. Das ist ein paar wenigen Leuten, auch meinen Eltern, zu verdanken.

Dass eine Brauerei wie De Garde heute ausschliesslich spontan vergorene Biere macht, wäre ohne deine Familie nicht passiert.

Ich denke nicht. Wenn ich die Anzahl Leute betrachte, die lernen wollen Lambic herzustellen, probieren spontanvergorene Biere zu reproduzieren, Leute die ein Kühlschiff verwenden wollen, dann ist das schlicht umwerfend.
Ich habe keine Probleme, wenn sie Spontanvergärung durchführen und das Bier dann nicht Lambic nennen. Lambic wird in Brüssel und Umgebung produziert. Vor 300 Jahren, als noch alle Biere spontanvergoren waren, wurde nur eines Lambic genannt. Heute sollte es gleich funktionieren.
Allagash zum Beispiel produziert ein wunderbares, spontanvergorenes Bier, das sie Coolship nennen. Ich habe Jason einige Ratschläge und Informationen gegeben. Das mache ich sehr gerne. Je mehr qualitativ gute spontane Biere den Weg auf den Markt finden, desto besser ist das auch für Lambic.

Du braust jedes Jahr ein Zwanze-Bier. Was machst du bei diesen Bieren anders?

Mein hat Vater hat schon Experimente gemacht, wie zum Beispiel das Iris. Das wurde zum ersten Mal 1998 gebraut um den 20. Geburtstag des Brüsseler Gueuze-Museum zu feiern. Mein Vater hatte die Idee zu Fou Foune nachdem er sich mit François Daronnat, dem Aprikosenproduzenten, getroffen hat. Auch das Saint Lamvinus, das erste Lambic mit Weintrauben, hat mein Vater erfunden.
Das Zwanze wird jedes Jahr produziert und ist immer ein neues Bier. Einige davon, wie das Mamouche, werden heute regelmässig produziert. Das ist ein Lambic, das mit Holunderblüten gelagert wird. Wenn ich einen neuen Geschmack oder Aroma für ein Bier entdecke, ist es schwierig für mich, dieses nur einmal zu produzieren. Darum möchte ich auch das Rhabarberbier, welches das Zwanzebier in 2008 und 2012 war, ins regelmässige Sortiment aufnehmen. Es ist sehr subtil und anders. Es ist kein Fruchtbier, aber auch kein Lambic, sondern irgendwo dazwischen. Es ist das Lieblingsbier meiner Frau, das ist auch sehr wichtig [lacht].
Unterdessen versuche ich das Zwanzebier auf andere Weise zu entdecken. Ich probiere nicht Techniken zu verbessern, sondern neue Blends zu kreieren, oder zu lernen wie mein Bier unterschiedlich reagiert. Ich mag diese Experimente, zum Beispiel Lambicwürze mit 20 – 25 Grad Plato, statt 12 – 12.5 wie bei der klassischen Lambicwürze, zu produzieren. Wenn ich eine stärkere Würze mit der genau gleichen Technik und den gleichen Prozessen herstellen, dann ist es noch immer Lambic. Es ist aber spannend zu sehen, wie das Bier auf den erhöhten Zucker reagiert. Ich lerne viel über mein Bier, wenn ich solche Experimente durchführe.

Wann beginnt der Denkprozess für ein neues Zwanzebier? Scheint ja nicht, dass du das zwei Monate vor dem Event brauen kannst…

Nein, nein. Gerade jetzt sind wir am Experimentieren [April – red.] für den Zwanzetag 2016. Die ersten beiden Versuche waren kein Erfolg. Die ursprüngliche Idee war ein Lambic in einer Tonamphore altern zu lassen. Diesen Versuch müssen wir wiederholen, aber mit einem Lambic, das schon im Holzfass war und genug Körper aufweist. Die Amphoren geben so viel Geschmack ab, dass es ein starkes Bier braucht um dagegen zu halten. Beim ersten Versuch habe ich Würze direkt in die Amphore gegeben. Das war als hätte man ein Baby einem Hagelsturm ausgesetzt.
Da hier zu wenig Platz ist, machen wir diese Experimente in der neuen Lokalität. Dort habe ich aber kein Lambic, das stark genug wäre. Das Amphoren-Lambic wird daher, hoffentlich, für den Zwanzetag 2017 sein.
Für 2016, denke ich, werden wir ein Bier machen, welches wir schon in den 80iger Jahren hergestellt haben; das alte Framboise Cantillon. Die Himbeern aus Belgien hatten gut geschmeckt, aber die Farbe war nicht besonders schön. Wie Altrosa. Um eine bessere Farbe zu erhalten haben wir das Bier mit 25% Kirschenlambic und ein wenig Vanille gemischt. Das Ziel wird es sein ein Bier auf diese Weise herzustellen aber Himbeeren aus Serbien zu verwenden, mit einer guten Farbe – so tieffarbig wie ein Kriek.
Die Idee ist das dann mit 25% Blaubeerenlambic zu mischen, wie beim Blåbær, welches wir für Jeppe und Olbutikken machen. Also 25% Blaubeeren, 75% Himbeeren und Vanille, natürlich richtige Vanille. Ich bin dabei mit Lambic und Vanille zu experimentieren um eine Idee zu bekommen wie viel es für 2000 Liter braucht. Das Experiment verläuft gut und ich mag den Geschmack!

Du hast das neue Gebäude erwähnt und auch schon gesagt, dass sich per 2016/2017 die Expansion bemerkbar machen wird. Auf welche Art wird das sein?

Das Bier ist nun fertig. Das Ziel war diese Saison etwa fünf bis zehn Prozent der Produktion von 2014/2015 zu verwenden. Aber die wirkliche Steigerung wird ab September passieren.
Es wird aber Cantillon nicht urplötzlich überall geben. Schau dir die Biertafel hier in der Brauerei an, alles ausverkauft. Im Moment habe ich nicht genügend Bier um hier noch etwas zu verkaufen. Wir mussten, Jahr für Jahr, das Maximum der Flaschen, was die Leute hier kaufen dürfen, heruntersetzen. Vor drei Jahren waren es noch zehn, dann acht, fünf und jetzt sind es noch drei Kisten.
Die erste Steigerung wird deswegen für den Laden und die Bar verwendet. Die Bar hat einen immer grösseren Erfolg. Es gibt Leute, hauptsächlich Ausländer, die für zwei bis drei Tage nach Brüssel kommen und jeden Tag die Brauerei besuchen um das Maximum an Cantillonbieren zu trinken. Erstens weil es diese Biere sonst nirgends gibt und auch wenn sie die Biere per Zufall irgendwo auftreiben können, dann sind sie dort viel teurer als hier.
In einem zweiten Schritt möchte ich die Biere vermehrt in Brüssel verkaufen. Ich erhalte immer mehr Anfrage von Biershops, Bier- aber auch Weinbars. Lambic ist so geschmacklich nah verwandt mit Weisswein, dass wir viel Erfolg bei Weintrinker haben. Schlussendlich aber auch Restaurants. Endlich, endlich haben die guten Restaurants entdeckt, dass Lambic sehr spannend sein kann um damit zu kochen, weil es nicht bitter ist. Weisswein kann in einem Rezept problemlos durch Lambic oder Gueuze ersetzt werden. Mehr und mehr Köche beginnen unsere Biere zu verwenden.
Nur wenn wir genug Bier für unsere Bar und für die Nachfrage in Brüssel haben, dann werden wir uns überlegen den Export ins Ausland zu steigern. Als erstes wohl in die USA, weil im Verhältnis zu Italien oder Frankreich, schicken wir heute relativ wenig nach Übersee.

Du hast nun mehrfach erwähnt, dass es Touristen und Ausländer sind, die dich besuchen kommen. Merkst du auch ein gesteigertes Interesse von Belgiern?

Es startet langsam. Wir erhalten täglich Anfragen von neuen Kunden, davon sind etwa 50% aus Belgien. Das ist aber neu. Belgien war wohl das letzte Land, wo die Leute auf den Lambic Erfolg reagierten.
Seit sechs Jahren haben wir keine neuen Kunde aufgenommen, weil wir die Produktion nicht erhöhen konnten. Alle unsere bestehenden Kunden erhalten das gleiche Volumen wie im Vorjahr. Als Neukunden nahmen wir nur gute Restaurants, weil diese zwei Vorteile vereinen; sie präsentieren das Bier in einer anderen Weise und das Image eines Produktes das in einem Restaurant erhältlich ist, ist normalerweise sehr gut. Und Restaurants bestellen keine riesen Menge an Bier.
Auch ein Grund warum wir keine neuen Kunden aufgenommen haben ist, weil Freundschaft uns sehr, sehr wichtig ist. Ich bin immer bereit weite Wege zu gehen für Leute, die schon vor zwanzig Jahren Kunden von uns waren. Für Leute die traditionelles Lambic und unsere Brauerei schon damals unterstützt haben, als es noch sehr schwierig war Bier in andere Länder zu verschiffen und dort zu verkaufen. Ich denke da an Sten von Akkurat in Schweden, Olli Sarmaja in Finnland, Konishi unser Importeur in Japan oder Shelton Brothers in den USA. Diese Leute waren auch in den schwierigen Zeiten für uns da.
Wenn nun jemand aus Brüssel nach unserem Bier fragt, bin ich jedes Mal geneigt zu fragen wo er denn die letzten zwanzig Jahre über war. Etwa süsses, falsches Lambic verkauft? Und nun, da du von unserem Erfolg gehört hast, bist du plötzlich interessiert?
Ich werde mich immer an die Leute erinnern, die auch schon in den 80- und 90igern für uns da waren. Ihnen möchte ich danken und werde auch immer bereit sein, mehr für sie zu tun. Mehr als für Neukunden, auch wenn diese motiviert sind und ich ihre Leidenschaft spüre, es geht mir auch um Freundschaft.

Nach diesem schönen Wort, kommen wir zur letzten Frage: Welche fünf Biere sollte man vor seinem Tod getrunken haben?

Ein Bier meiner sehr guten Freunde bei der Brasserie De La Senne; Zinnebier. Das Bier ist einfach und gut zu trinken. Wenn ich einfach sage, meine ich einfach in einem guten Sinne. Es ist ein Bier das du ohne gross zu überlegen, einfach geniessen kannst.
Ein weiteres belgisches Bier: Dupont. Dupont ist für mich eine der besten belgischen Brauereien. Es ist ein gefährliches Bier, da es sehr einfach zu trinken ist, aber der Alkoholgehalt doch höher ist: Avec les Bons Voeux. Fantastisch. Wenn du es noch etwas altern lässt, wird es noch besser.
Von Italien: BeerBrugna von LoverBeer. Walter war früher oft hier und hat viel von Cantillon gelernt.
Setembre von meinem Freund Carlos bei Masia Agullons. Das ist ihr obergäriges Bier gemischt mit meinem Lambic. Sehr delikat.
Ich möchte kein Cantillon auswählen, aber doch ein spontan vergorenes Bier: Coolship von Allagash. Ein sehr gut gemachtes Bier. Kein Lambic, aber ein spontan vergorenes Bier. Du merkst förmlich wie das Bier am Leben ist.
Jedoch nur fünf Biere auszuwählen ist hart. Es gibt so viele andere gute Biere auf der ganzen Welt. Zu viele.

Das Interview wurde am 29. April 2016 in der Brauerei durchgeführt.

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