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Zuwachs im Büchergestell: Vier Bierbücher gelesen und rezensiert

Noch vor wenigen Jahren stand in den Bücherläden höchstens ein Buch von Michael Jackson. Dann tauchte «Das Bierbuch: Über 1700 Biere aus aller Welt» von Tim Hampson und Randy Mosher’s «Tasting Beer» auf. Parallel zur Anzahl Brauereien, Biere und so weiter, explodierte auch die Anzahl Bücher die erhältlich sind. Einerseits im Hochglanz-Segment (zum Beispiel «Das Craft-Bier Buch: Die neue Braukultur» von Sylvia Kopp und Robert Klanten), aber auch im preisgünstigen Segment in deutscher Sprache. Wir haben vier Bücher gelesen und sind sowohl erfreut wie konsterniert.

Baedekers 100+1 Fakten: Unser Bier in Grafiken

Für alle die nicht so gerne lesen aber dennoch ein Büchergestell haben, ist dieses Buch das Richtige. Anhand von 101 Infografiken wird Wissen zu Bier aufgearbeitet. Die Grafiken sind durchaus interessant, teilweise aber auch unnütz und gesucht, wie zum Beispiel ein Vergleich des Alkoholgehaltes von Bier mit anderen Getränken. Das Buch ist in Deutschland geschrieben und erschienen und so verwundert es nicht, dass das Reinheitsgebot eine Rolle spielt. Und wie sich im Quervergleich zeigen wird, ist der Umgang mit dem Reinheitsgebot durchaus ein Qualitätsmerkmal. Dieses Buch glaubt an den Marketing-Mythos. Auch sind die gewählten Beispiele sehr auf Biere der grössten Brauereien ausgelegt.

Während das Buch ganz nett aufgemacht ist, sind die Grafiken zum Teil unsorgfältig designed, wenn z.B. in der Grafik zu den Farben von Bier, nicht die tatsächlichen Bierfarben verwendet werden. Dafür ist das Hopfenwachstum oder die Flaschenabfüllanlage sehr illustrierend. Wirklich tief geht das Buch nicht und auch die Quellen – die wenigstens angegeben sind – sind eher oberflächlich. Was dann aber gar nicht geht sind die Fehler, die im Buch stehen (Weizenbier hat 30% Weizen? Bei der Flaschenvergärung „lüftet“ man?).

Fazit: Ganz interessante Idee mit zum Teil schön aufgearbeiteten Grafiken, aber schlussendlich nur wenig Informationsgehalt.

«Ein Bier. Ein Buch.» von Andreas Hock

Das Buch ist all das worüber wir uns in unserem Reinheitsgebot-Blogpost genervt haben. Hier wird der ganze Marketing-Mythos blindlings wiederholt und sogar noch ausgeweitet: Alles, aber auch wirklich alles was gut an Bier ist und was die Entwicklung von Bier vorwärtsgetrieben hat, kam aus Deutschland – so will es uns der Autor glaubhaft machen. Und alles, aber auch gar alles was nicht Deutsch und Reinheitsgebot ist, ist doof, komisch und er macht sich darüber lustig (ja, sogar über Bamberger Rauchbier, wo er schreibt, dass selbst der Brauer von Aecht Schlenkerla zugebe, dass der zweite Halbliter besser als der Erste schmecke). Bier mit wenig Hopfen sei „lieblich“ und Craft Bier ein „merkwürdiger Trend“. Kürbisbier sei „Quatsch“. Englisches Bier sei so schlecht, dass es kein Wunder sei, dass es kaum exportiert werde. Niemand in den USA wisse wie man richtiges Bier braue und das traditionelle Südamerikanische Chicha sei eine „trübe Brühe“, ein „bizarres Getränk“ und ein „schräges Erzeugnis“.

Zudem hat das Buch reihenweise Fehler: Die Vielfalt von Bier sei aufs Malz zurückzuführen (was nicht einmal im deutschen Universum stimmt), in den USA gebe es 1380 Brauereien (es sind über 4000). Die zweite Auflage hat ein Veröffentlichungsdatum von 2016, aber Franziskus ist noch Papst. Und warum wird ein Papst in einem Bierbuch erwähnt? Deutschland halt. Kuckt man sich die Quellen an, verwundert das alles nicht, denn diese sind Quellen von Quellen.

Es ist immer wieder erstaunlich, wie voreingenommen und intolerant sogenannte Bierfans sein können. Das ist hier aufs Übelste ausgeprägt. Das Buch ist narzisstisch und hat einen Überlegenheitskomplex. Dazu versucht der Autor verzweifelt – und erfolglos – witzig zu sein. Diese Lager-, Deutschland- und Reinheitsgebot-Propaganda ist unwürdig und unerträglich.

«Craft-Bier: Geschichte, Herstellung, Brauereien» von Jens Dreisbach

Vielleicht habt ihr neue Schwiegereltern oder eine neue Freundin (oder einen neuen Freund) oder ihr müsst dem Chef erklären, weswegen ihr immer wieder für ein Wochenende an einen Ort reist um Bier zu trinken. Schenkt diesen Personen dieses Buch, denn es ist eine punktgenaue Einführung für Unwissende in das Ding welches weitläufig als Craft Bier bezeichnet wird. Und es kostet nur €5.

Der Autor – und wir mussten das recherchieren, denn das steht nirgends – ist ein freier Autor, der vor allem über Sport und Getränke schreibt und dabei keine offensichtliche Ausbildung hatte. Er beweist also, dass auch Laien ein gut recherchiertes Buch schreiben können. Dreisbach findet Craft Bier offensichtlich gut und als Deutscher hat er einen gesunden Umgang mit dem Reinheitsgebot, welches er richtigerweise lobt, aber auch relativiert.
Das Buch ist in zwei Bereiche aufgeteilt: Zuerst wird ins Thema Craft Bier eingeführt und es gelingt dem Autor hier den IPA-Mythos zu korrigieren. Dreisbach führt Craft Bier auf «vergessene Biere, befreites Brauen, enthemmter Hopfen» zurück und zitiert Garret Oliver von der Brooklyn Brewery: Craft Bier sei kein Trend, sondern eine Rückkehr zur Normalität.

In der zweiten Hälfte des Buches werden Brauereien vorgestellt und immer auch ein Bier beschrieben – und das reichlich blumig. Hier entdeckt man sowohl bekannte Brauereien wie Anchor, Cantillon oder Belhaven, aber auch Craft Lieblinge wie Bevog und Lervig und noch spannender, sehr viele deutsche Brauereien die oftmals als Gypsy Brauer (oder hier sowohl «Kukusbrauer» wie auch «Phantombrauer» genannt) tätig sind. Das einzige was an diesem Buch nervt, sind die blöden und gesuchten Wortspiele. Trotzdem ist das Buch eine günstige und gelungene Einführung.

«Die Geschichte Europas in 24 Bieren» von Mika Rissanen / Juha Tahvanainen

So ein Bierbuch ist eigentlich ein ziemlich langweiliges Unterfangen: Der Autor schreibt etwas zur Geschichte, zum Brauverfahren und zu den Bierstilen. Irgendwo werden noch Brauereien erklärt, das ganze wird mit den typischen Geschichten von India Pale Ale, Reinheitsgebot und Spinnennetzen angereichert. Voila, fertig ist das Buch. Die beiden Finnen Rissanen und Tahvanainen haben eine alternative Herangehensweise gewählt und der macht dieses Buch anders und für alle die gerne Geschichte haben, spannend.

Hier werden verschiedene Ereignisse aus der Europäischen Geschichte genommen, in der Bier irgendeine Rolle spielte. Das kann so allgemein sein, wie, dass irische Missionare Bier in Grossbritannien und Kontinentaleuropa verbreiteten, darunter Columban aber auch der Gallus (generell wird das St.Galler Kloster gerne wegen den Brauereiplänen erwähnt, wobei mindestens gemäss Oxford Compendium unklar ist, ob diese Brauerei auch tatsächlich gebaut wurde). Oder, dass je nachdem ob eine Gesellschaft Katholisch oder Protestantisch ist, diese mit Ausnahmen eher dem Wein oder dem Bier zugeneigt ist. Die Geschichten sind aber auch sehr konkret, wie, dass während der Belagerung von Sarajevo die Bevölkerung mit Wasser aus dem Brunnen der Brauerei versorgt wurden oder, dass die Teilnehmer an der Tour de France früher Bierstops machten. Zu jeder dieser Geschichte haben die Autoren ein Bier ausgesucht, dass eine Rolle spielte oder aus dieser Gegend stammte.

In diesem Buch wird also nicht erklärt, wie man Bier braut und auch die Bierstile bleiben ohne Auflistung. Aber für alle, welche das Kulturgut Bier spannend finden, werden hier interessante Geschichten erzählt. Und was am Schluss auch hängen bleibt; dass Deutschland in der Entwicklung von Bier tatsächlich immer wieder eine entscheidende Rolle spielte. Das darf man sehr wohl anerkennen, und erkennt man hier, da ausgewählte Ereignisse immer wieder in Deutschland spielten.

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