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2019 war ein Jahr der Sättigung und des Stillstandes

2019 war ein herausforderndes Jahr . Wir hatten vermutlich alle kaum Zeit, um uns wirklich ernsthaft mit irgendetwas zu beschäftigen, ausser damit, was gerade mit uns passiert. Noch nie waren die Antworten auf unsere Fragen so kurz und noch nie haben uns so viele Leute geschrieben, dass sie leider in diesem Jahr keine Zeit zum Mitmachen haben.

Wir deuten das einerseits als ein Phänomen des letzten Jahres, aber auch als Zeichen für eine gewissen Sättigung: Andy Smith schreibt, dass es ihm schwer fällt eine Entdeckung des Jahres zu formulieren. Das gleiche meinen auch Roger Brügger und Martin Droeser und Fabio von Broken City stellt sogar fest, dass ihn Craftbier nicht mehr so begeistert wie früher. «Bin ich gelangweilt oder nostalgisch» fragt er sich. Wie viel Ablenkung heutzutage ständig und überall vorhanden ist, zeigt sich auch in den Beiträgen, die über eine Internet- und/oder Social Media-Pause sprechen.

Dennoch finden sich in all den Antworten auch in diesem Jahr wieder sehr spannende Erkenntnisse. Wir machen diesen Rückblick, weil in den Rückmeldungen immer wieder (Geheim-)Tipps mitgeteilt werden: Stefan Hahn lobt zum Beispiel den Biergarten der Klosterbrauerei Weltenburg, Julien von Chien Bleu legt uns nahe, den Dart Club in Lyon zu besuchen und Max von Five Points schlägt uns den Bohemian Place in London vor.

Zweitens ermöglichen die Antworten den Puls der «Szene» zu fühlen. Dies mit dem Anspruch auf diesem Blog, nicht nur Fanboy-Posts aufzuschalten, sondern auch kritisch zu hinterfragen was passiert, was nicht passiert oder was passieren sollte. Dabei stützen wir uns auf viele Antworten aus der Schweiz, können die Erkenntnisse aber mit Rückmeldungen von Europäern, US-Amerikanern oder Australier reflektieren. Das macht Stefan auch gleich selbst, wenn er meint, dass im Vergleich zu «anderen Ländern in Europa, ist bei uns weiterhin viel Nachholbedarf». Mit diesem Blogpost liefern wir einen Anstoss zur Diskussion und zwar auf Basis einer Vielzahl von Menschen und Meinungen.

Stillstand ist Rückschritt

Eine Ausprägung davon, dass es den Leuten schwer fällt «Neues» zur Diskussion zu stellen, deutet auf wenig Fortschritt in der Schweizer Craftbier-Szene hin. Vielleicht mit der Ausnahme von mehreren Bars, welche insbesondere in der Romandie eröffnet wurden, und besonders der Cylure Binchroom in Lausanne scheint vielen zu gefallen. Dieser Fortschritt verläuft für Martin von Sudwerk jedoch zu langsam: Er erkennt zwar viel Auswahl an Bieren an Festivals, nicht aber bei der Bierauswahl in Gastrobetrieben. Ein solches Festival – der Beer Dome Basel – scheint die Szene begeistert zu haben, wird das Festival doch häufig erwähnt. Weiterhin begeistert sind die Schweizer von À Tue-Tête. Brausyndikat aus Zürich wird ebenfalls sehr häufig erwähnt und kann damit als Newcomer 2019 bezeichnet werden. Stefan von Brauwolf erwähnt eine weitere tolle Entwicklung in der Schweiz, namentlich den mobilen Dosenfüller von Lab63. Dies zeige, so Stefan, dass innovative Personen bereit sind in die Craftbier-Szene Schweiz zu investieren.

Generell bemerkenswert ist es, dass bei den ausländischen Rückmeldungen die Schweiz nicht vorkommt, dafür Orte in Prag, Dijon, Berlin, Oslo, Leipzig, Bangkok. Während sich andere Länder auf der Landkarte positionieren konnten, scheint dies der Schweiz nur schwer zu gelingen. Vielleicht bietet der nächste Punkt einen Hinweis darauf wieso das so ist (wobei es offensichtlich andere Hypothesen gibt).

Schweizer Bier ist schlechter oder besser als sein Ruf

Etwas anderes macht aber weiterhin vielen Leuten Sorge: Die Qualität der Schweizer Biere (aber nicht nur Schweizer, denn auch Jonny vom Craft Beer Channel wünscht sich, dass kleine Brauereien die Rezeptentwicklung und Qualitätssicherung ernst nehmen). Nein, hier sind sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer nicht einig, aber Bov spricht im Namen von vielen, wenn er eine bessere Durchschnittsqualität beim Schweizer Angebot fordert.

Auf der anderen Seiten dieses Grabens stehen Personen wie Karin von Barfuss und David von Craftbrew.ch/Old Hill Brewery. Sie fordern die Schweizer auf, mehr lokales Bier zu trinken und kritisieren den Import per Flugzeug als ökologischen Blödsinn. Doch, wenn Schweizer Bier tatsächlich so schlecht ist, wer kann den Kunden verübeln auf ausländisches Bier auszuweichen? Stefan von Brauwolf bemerkt dies auch, bangt es ihm 2020 doch vor noch mehr importierten Bieren. Als Lösung schlägt er vor, dass «wir als Schweizer Brauer unsere Qualität so erhöhen, dass [Importe] weniger gewünscht» werden. [Eine Möglichkeit herauszufinden, wie gut ein Bier tatsächlich ist, bietet der B&R Beer Contest. Angesichts wie wenig Schweizer Brauer dieses Angebot nutzen, mit welcher Arroganz sie den Hinweis diesbezüglich kommentieren, deutet eher darauf hin, dass es die Brauer gar nicht interessiert, wie eine neutrale Jury über ihre Biere denkt. Das ist auch ein Hinweis darauf, wie ernst es vielen Brauern ist, sich ehrlich mit der eigenen Qualität auseinander zu setzen – K.d.V.].

Generell kann die Frage gestellt werden, wie lange schlechtes Bier noch verkauft werden kann, denn Stephan Zwahlen ist sich sicher, dass die Konsumenten immer kritischer werden. Qualität hört aber nicht nach dem Abfüllen des Bieres auf, vielmehr sind hier auch die Detailhändler und Bars gefragt: Chris von Whitefrontier ärgert sich darüber, dass viele das Gefühl haben, dass Bier gegen Temperaturen von 20 Grad Plus unverwundbar sei und auch Patrick Thomi von Doppelleu wünscht sich mehr gekühlte Regale. Das sollte eigentlich normal sein. Nicht mehr normal ist jedoch gewisses «Frisch über alles» Verhalten: Mike von Lervig erzählt davon, dass früher die Regel galt, ein Bier innerhalb von 2 Monaten zu trinken. Heute sei der Anspruch, dass ein Bier nicht älter als 3 Wochen ist. Wie könne man da noch exportieren, fragt er sich.

Hau ab mit Hazy

Der NEIPA-Hype ist vorbei. Es ist erstaunlich, wie es 2018 noch viele Führsprecher gab, während nun 2019 die Kritiker bei weitem überwiegen. Harley von Unterbad bestätigt zwar, dass er viele NEIPA mag, aber dass viele zum Verwechseln ähnlich schmecken. Viele Bemängeln die Süsse der Biere und entsprechend das Ausbleiben von Bitterkeit. Dadurch verwundert es kaum, dass sich viele Teilnehmer auf die Rückkehr der West Coast IPA freuen, zum Beispiel Markus von Vaat, Jan von bierversuche.ch, Stuart von Magic Rock oder Jonny vom Craft Beer Channel.

In eine ähnliche Richtung geht die fortlaufende Kritik an Milkshake IPAs oder Pastry Stouts mit tonnenweise Adjuncts. Stattdessen wünscht sich Richi Waldis von Nordsud Biere, die nicht nur durch tolle Zutaten auf dem Etikett Eindruck machen, sondern auch wirklich gut schmecken. Van wundert sich darüber, wie beliebt Biere sind, die nicht nach Bier schmecken: «Wenn ich einen Fruchtslushy trinken will, dann kaufe ich einen Fruchtslushy, der dann auch richtig krass fruchtig schmeckt». Die Einfachheit eines Lagers oder generell von Sessionable-Bieren wird vermisst. «Weniger verrückte Biere, dafür gute Biere» fordert zum Beispiel Reto Widmer, oder wie Katie von Whitefrontier meint: «Mehr Bier mit Biergeschmack».

Dennoch spaltet Lager immer noch das, uhm, Lager: Simon von Lance-Pierre erfreut sich an den «crispyboys» wie Tschechische Pilsner, die vermehrt in der Schweiz gebraut werden. Eine Freude, welche auch Susanne von Doppelleu erwähnt. Auf der anderen Seite hiervon stehen aber die Kunden: Katie nervt sich darüber, dass Lager zwar in der Branche unglaublich beliebt seien, Whitefrontier die Biere aber kaum verkaufen kann.

Ebenso uneinig sind sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, ob Low-ABV-Biere gut sind oder nicht. Sarah Gianesi von St. Larentius erfreut sich am Riegele Alkoholfrei IPA, Raphaël am alkoholfreien IPA von Lola und gleichzeitig wundert sich Markus von Vaat, «warum es nicht mehr Low-ABV-Sachen gibt. Zwischen 2.5% und 3.9% lässt sich so viel machen». Die Gegenseite vertritt beispielsweise David von Hoppy People, der sich über alkoholfreie Biere ärgert.

Immer weniger Bärte

Eine erfreuliche Beobachtung teilt uns Lana Svitankova mit, wenn sie schreibt, dass das Craftbier Publikum diverser wird, also nicht mehr ausschliesslich weisse Männer mit Bärten an Events teilnehmen. Auch kritisiert die Szene unterdessen den sexistischen Bro-Humor und dieser wird sogar teilweise abgestraft. Einen Grund dafür formuliert Eva von QoQa: «Ich erkenne ein grösseres Interesse an Bier von nicht Bier-Menschen und dessen diverse Sorten», eine Feststellung welche auch Ralf von Drinks Of The World teilt. Es wird wohl auch langsam Zeit, dass die Dominanz der Bierticker unter den Schweizer Kunden reduziert wird. Deren Verhalten wird zumindestens verwundert wahrgenommen, so meint doch Roland Graber, dass viele «Bierhunter vor lauter ‘Sorry, ich muss das kurz in der App einchecken’ scheinbar vergessen, um was es auch noch gehen könnte: Leidenschaft, Genuss und Geselligkeit». Ein solches Jägerverhalten habe auch dazu geführt, dass Seltenheit unterdessen als attraktiver als Qualität befunden wird, meint Jonny.

Es gibt noch extrem viel mehr spannende Beiträge, so zum Beispiel Simon’s Aufruf zu echter Kollaboration, in dem die Brauer in Lausanne gemeinsam Equipment kaufen, dass es Gabe von Bierfactory vor Gossip bangt, Ronny gleichzeitig immer noch ein offener und konstruktiver Austausch unter den Brauern erkennt – Markus aber davor warnt, dass sich dies mit dem wachsenden Konkurrenzkampf verändern wird, dass lediglich eine Person den gescheiterten Versuch einer Swiss Craft Brewers Association erwähnt, dass sich die Schweizer einig sind, dass es nicht noch mehr Brauereien braucht, aber auch, dass ein Hype in der Umfrage noch nicht angekommen ist: Kveik. Wir werden sehen ob dieser Bierstil die Umfrage 2020 dominieren wird.

Less and less beards

Lana Svitankova tells us a pleasing observation when she writes that the craft beer audience is becoming more diverse, i.e. no longer exclusively white men with beards. Furthermore, the scene starts to criticize the sexist bro-humor or even partly punishes such behaviour. One reason for this is explained by Eva von QoQa: «I recognize a greater interest in beer and its various styles from non-beer people», an observation which Ralf of Drinks Of The World confirms. Also, it’s probably about time that the dominance of beer tickers among Swiss customers ends. Their behaviour is perceived as at least astonishing, with Roland Graber observing: «beer hunters seem to forget what it’s all about because of all the ‹Sorry, I have to check this in the app›: passion, pleasure and sociability». Such hunting behaviour has also led to rarity being found more attractive than quality, says Jonny.

There are many, many more interesting contributions, such as Simon’s call for real collaboration, in which the brewers in Lausanne buy equipment together, that Gabe of Bierfactory is afraid of gossip, while at the same time Ronny still sees an open and constructive exchange among the brewers – but Markus warns, that this will change with the growing competition. Only one person mentions the failed attempt of a Swiss Craft Brewers Association, many agree that there is no need for more breweries in Switzerland and lastly, that one hype has not yet arrived: Kveik. We will see if this beer style will dominate the survey in 2020.

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