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Digitale Transformation trifft auf Craftbeer: Bierrezept von Künstlicher Intelligenz

Mikkeller hat in unserem Interview gesagt, dass auch ein Roboter ein Bier brauen kann (was eine Mini-Kontroverse hervorgerufen hat, z.B. hier). Doch, kann ein Roboter, im Sinne eins künstlichen Wesens mit künstlicher Intelligenz, auch ein Rezept entwerfen? Die Hochschule Luzern, Jaywalker Digital und MN Brew wollten es herausfinden. Und wir auch.

Unter den wertvollsten Unternehmen der Welt sind Unternehmen, die Geld mit oder mehr Geld wegen Daten machen. Daten lügen nicht und Daten sind besser als Intuition. Und Daten sind überall: Nicht nur Fotos, Shares, Likes und Posts sind Daten, auch Dialoge von Fernsehsendungen sind Daten. Letztere kann man zum Beispiel dazu verwenden, dass eine künstliche Intelligenz (oder Artificial Intelligence, AI) neue Dialoge für neue Folgen schreiben zu lassen. Die AI wird die häufigsten Worte und Wortkombinationen herausfinden und verwenden. Die Resultate sind aktuell noch Blödsinn, aber irgendwann werden die Resultate gut oder gut genug sein.

Bierrezepte sind Daten

Auch Bierrezepte sind Daten, die man auswerten kann und mit denen man neue Rezepte erstellen kann: Kombinationen können analysiert werden und basierend darauf ein eigenes Rezept entwickelt werden. Das hat IntelligentX schon einmal gemacht und auch an der Hochschule Luzern (HSLU) findet sich ein Projekt, bei dem Künstliche Intelligenz ein Bierrezept geschrieben hat. Dieses Rezept wurde dann von den MN Brew in Emmen gebraut und das Resultat ist solide.

Doch zuerst zum Prozess, der hier ausführlich beschrieben wird. Bei Projekt von Marc Bravin (Algorithmic Business Research Lab der Hochschule Luzern) und Kevin Kuhn (Jaywalker Digital) werden Biersorte, Malz, Hopfen, Dryhopping, Kochzeit und «zusätzliche Zutaten» als Parameter berücksichtigt.

Zuerst musste das Programm lernen, welche Arten von Malz und Hopfen kombinierbar sind. Nur so konnte sie ein Rezept für ein Bier generieren, das braubar ist und gut schmeckt. Dafür wurden 157’633 Bierrezepte analysiert und 315 Malz und 1’648 Hopfensorten als Rohstoffe identifiziert. Marc Bravin erklärt: «Das neuronale Netzwerk, welches wir für unsere «Brauer AI» trainiert haben, hat seinen Ursprung in der Verarbeitung von Text. Es ist ein sogenanntes Transformer-Netzwerk. Solche Netzwerke können sich punktgenau an bereits generierte Sequenzen, in unserem Fall Rezept-Zutaten, erinnern.» So konnte die Artificial Intelligence Muster erkenne, welche sich in Bierrezepten wiederholen und schlussendlich verfasste die AI ein Rezept.

315 Malz und 1’648 Hopfensorten? So viele Hopfensorten gibt es doch gar nicht. Adrian Minnig von MN Brew erklärt: “Der Algorithmus hat gleiche Hopfensorten mit z.B. verschiedenen Alphawerten, Schreibfehlern in den analysierten Rezepten, usw. als neue Sorte erkannt, wenn diese im Text zu finden waren. Beim Malz war ausserdem auch mit Verpackungseinheiten und Herstellernamen eine Herausforderung.” Sie hätten die Entwickler darauf hingewiesen, weshalb in einem Entwicklungsschritt die Hopfen welche sich innerhalb einer Alphawert-Bandbreite befinden, gruppiert wurden.

Spannende intellektuelle Übung

Das Modell der HSLU ist eine lustige, sicherlich interessante aber vor allem intellektuelle Übung, die insbesondere oder ausschliesslich in theoretischer Hinsicht spannend ist. Dabei ist weder der Ansatz noch die Idee eines optimierten Bierrezeptes falsch. Nein, dieser ist spannend und die Weiterverfolgung wird sicherlich interessante Resultate bereitstellen. Vielmehr werden hier – vermutlich um die Komplexität zu reduzieren – auf Bierrezept-relevante Paramater ausgelassen: Kein Bierrezept ohne Hefe ist komplett. Die Temperaturführung während dem Brauen und während dem Gären wird darüber entscheiden, ob ein Bier schlecht oder grossartig ist. Ein (unvollständiges) Rezept alleine macht noch kein gutes Bier.

Hierzu meint Brauer Adrian «Ziel des Projektes war es, herauszufinden ob ein Computer es schafft, dem Brauer neue Inputs zu liefern. Es war von Anfang an out of scope, dass der Generator alles macht – also auch die Gärführung berücksichtigt. Stattdessen wollten wir Brauern, wohl vor allem aus dem Hobbybereich, eine Möglichkeit der Ideenfindung bereitstellen. Also nicht eine Maschine zu bauen, welche den Brauer und sein Wissen ersetzen soll.»

Rezept bereits die am besten gelöste Herausforderung

Verständlich. Doch, wir haben noch nie einen Brauer getroffen, der verzweifelt Rezepte brauchte oder über zu wenig Rezepte geklagt hat. Wenn überhaupt ist der Aspekt Rezept eine der am besten gelösten Herausforderungen beim Brauprozess. Und AI kann den Anspruch nicht erfüllen, das allerbeste Rezept zu entwickeln, sondern wohl lediglich ein optimiertes Rezept. Dieses entspricht dann wohl dem kleinsten gemeinsamen Nenner– ausser es gibt einen Feedback-Loop, bei dem Rezepte mit einer Bewertung verknüpft werden und somit Rohstoff-Kombinationen evaluiert werden (etwas das IntelligentX bereits tut). Angesichts vieler untauglicher Bierrezepte da draussen, stellt sich die Frage ob alle 157’633 Rezepte eine gute Datenquelle waren.

Wir wollten aber natürlich wissen wie das Bier schlussendlich schmeckt. Adrian hat uns dankenswerterweise ein paar Flaschen besorgt und: Das Bier hat eine schöne, klare Farbe. Zum Trinken ist es ganz angenehm, wenn auch leicht sauer und irgendwo zwischen mineralisch und metallisch. Spritzig bis zu gut karbonisiert und es ist nichts zu erkennen, was die AI verbockt oder besonders gut gemacht hat. Was für den Anfang als Erfolg gewertet werden kann.

Das klingt jetzt alles sehr negativ und so ist’s gar nicht wirklich gemeint. Es würde uns nicht überraschen, wenn die AI in Zukunft für die Optimierung von Rezepten verwendet wird – dann aber wohl eher von Grossbrauereien und nicht von Craft-Brauereien. Die Arbeit der HSLU und Jaywalker Digital ist eine spannende Sache und alle Beteiligten haben sicherlich viel gelernt. Das hier gewonnene Wissen kann möglicherweise auch auf andere Felder adaptiert werden. Und es wäre wirklich sehr spannend ein in aller Hinsicht und aller Parameter optimiertes Bier zu probieren.

Darum stossen wir gerne auf die Fortsetzung dieses Projektes an.

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