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Blackwell schliesst. Und wir finden es richtig scheisse.

Zum 1. Mai hat Blackwell angekündigt, dass es seine Brauerei schliessen wird. Als Kunden, Freunde und Kollaborationspartner finden wir das scheisse. Begründung folgt:

Jetzt wird es persönlich.

Es ist der 1. Mai 2023 und Blackwell verkündet, dass sie den Betrieb einstellen werden. Eine der besten Brauereien hört auf. Zwei Brüder, die den Mut hatten, alles zu geben und eine professionelle Brauerei zu gründen. Diese Nachricht ist in erster Linie menschlich tragisch, denn Tobias und Samuel Aeschlimann müssen all ihre Arbeit und ihre Investitionen in Zeit und Kapital hinter sich lassen.

Ja, es ist auch tragisch für alle Freunde und Fans von Blackwell – wir zählen uns zu den Freunden. Sie werden nicht mehr in den Genuss kommen, sich über das Tannenbaum-Bier zu freuen, die Feinheiten ihres Pale Ale zu würdigen oder sich zu fragen, welche verrückte Kreation Blackwell sich als nächstes ausdenken wird. Wir hier bei Bierversuche verlieren eine Brauerei, mit der wir schon zweimal zusammengearbeitet haben und die bei unseren Wortspielen ein beliebtes Aushängeschild war.

Um es also offen zu sagen: Wir sind ebenso traurig wie sauer.

Es ist unfair, alle Schuld auf wankelmütige Ticker und ungebildete Trinker zu schieben. Ein Teil der Schuld kann auch den Lieferanten auferlegt werden, die eine Gelegenheit sahen, die Preise zu erhöhen, auch wenn dies nicht notwendig war. Man kann die Schuld dem Diktator-Arschloch in Russland zuschieben, der versucht, seine innenpolitischen Probleme mit einem unrechtmässigen Angriff auf ein souveränes Land zu lösen. Aber da der Diktator und die Lieferanten nicht auf uns hören wollen, sollten wir uns unter uns Biertrinkern ein Herz fassen.

Bier ist ein Geschäft mit geringer Gewinnspanne und daher ein Massengeschäft, oder noch einfacher ausgedrückt: Je mehr man produzieren kann, desto mehr Geld kann man verdienen. Es gibt im Grunde zwei Strategien, dies zu erreichen:

  • Eine grosse Menge desselben Produkts herstellen
  • Kleinere Mengen von vielen verschiedenen Produkten produzieren

Aber hier ist das offene Geheimnis: In jeder verarbeitenden Industrie gibt es etwa 20 Prozent der Produkte, mit denen etwa 80 Prozent des Einkommens erzielt werden. Wie zum Teufel soll man also mit der zweiten Strategie überleben?

Bierfans sind nicht gut fürs Geschäft

Und an dieser Stelle müssen wir uns selbst ganz genau unter die Lupe nehmen: Als Bierfans finden wir Brauereien, die die zweite Strategie verfolgen, viel interessanter. Wir preisen sie in unserem Freundeskreis an, sorgen für Begeisterung und stehen auf Festivals vor ihren Ständen Schlange. Aber wie zum Teufel soll diese Brauerei überleben, wenn es nicht genügend Bars, Restaurants und Geschäfte gibt, die bereit sind, ständig neue Produkte abzunehmen?

Oder wie zum Teufel soll diese Brauerei überleben, wenn es nicht genügend – tausende! – Trinker gibt, die jede einzelne Charge kaufen? Rechnen wir einfach mal nach: 1’000 Liter sind etwa 3’300 Flaschen. Wenn man bedenkt, dass wir uns die Flaschen oft teilen, muss es schon 4’000 Leute geben, die ihr Bier zuverlässig kaufen, um nur eine einzige Charge zu verkaufen.

Aber eine Charge ist nicht genug, um zu überleben. Wie gesagt, Brauen ist ein Geschäft mit geringer Gewinnmarge und daher ein Massengeschäft.

Hinzu kommt, dass wir alle oder oft nur Lippenbekenntnisse zu #drinklocal ablegen und wir Bierfans im Grunde am meisten dazu beitragen, dass kleine Brauereien nicht überleben können.

Wir sind auch Schuld

Ja, wir auch. Wir probieren viele verschiedene Biere. Wir trinken eine Menge ausländischer Biere. Wir müssen auch mehr tun, um das Überleben von grossen Brauereien wie Blackwell zu ermöglichen.

Leider ist es für Blackwell zu spät. Danke, Jungs, für all die tollen Momente, die wir mit euch teilen durften, und all die grossartigen Biere, mit denen ihr uns beehrt habt. Alles Gute für das, was auch immer als nächstes kommt. Ich freue mich darauf, euch bald wieder zu sehen.

One comment
  1. Kaspar (Shrinkbrew)

    Das hat mich auch verschreckt. Gut, die Wildhefen selektionieren schon auch die Kunden, auch wenn das superspannende und hochwertige Biere sind. Ich dachte schon als sie die core Line begannen, ob das wohl gut geht, ob sie quasi ein Massenprodukt mit ihren hochindividuellen Hefen hinbekommen. Der massenkonsument will süffige, einfache Biere wo man auch mehrere nacheinander nehmen kann. Sehe ich an jedem Event, mein einfaches 5.4% Saison mit Hallertau blanc verkauft sich immer etwa doppelt so stark wie alle anderen mit mehr Charakter. Als ich bei Samuel vor etwa 4 Jahren den Hefekurs machte, war ihm bewusst, dass ihr Geschäftsmodell nur funktionieren kann, wenn sie spezielle Biere für Nerds in ganz Europa verkaufen können, weil der Markt einfach zu klein ist in der Schweiz für solche Biere. Ich bin auch gerade am überlegen, wie ich mit meinem enormen Aufwand auch langsam wenigsten ein bisschen Einkommen generieren könnte, da ich neu 1000.- Miete pro Monat zahle für die Brauerei. Biere mit hoher Marge (Barrel Aged) einerseits und leicht zugängliche schnelle Biere mit ausreichender Qualität andererseits ist die Idee. Das funktioniert aber kaum mehr wenn ich via Handel gehe, dann reduziert sich die Marge zu stark bei meinem Minivolumen. In dem Dilemma waren Blackwell wohl auch, einfach zwei Nummern grösser.
    Sie habe wirklich lange durchgehalten. Sehr schade machen sie zu.

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