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Schweizer Craftbier-Markt in der Krise – und das ist die Lösung

Sooser-Bier schliesst, Blackwell schliesst, Bachweg-Brewing war in finanziellen Schwierigkeiten. Die Liste liesse sich noch verlängern. Schnell wird erklärt, dass die hohen Energie- und Rohstoffpreise den kleinen, professionellen Brauereien zu schaffen machen. Doch ist das die ganze Wahrheit? Eine Spurensuche.

Vor 10 Jahren war das Bonmot «Die Schweiz ist einfach 10 Jahre hinter den USA». Doch heute sind wir bei weitem nicht dort, wo die USA vor 10 Jahren war. Was hat sich in den letzten 10 Jahren in der Schweiz getan? Kurz und knapp: zu wenig.

Bestandsaufnahme: Irgendwo zwischen Stillstand und Minifortschritt

Der Import von Craftbier hat erst zu-, dann wieder abgenommen. Liegt das am zunehmenden Konsum von inländischem Craft-Bier? Oder doch eher an den Corona-Nachwehen? Schwierig zu sagen. 

In der Gastronomie haben wir gefühlt eher Rückschritte zu beklagen, da und dort aber auch Fortschritte und grundsätzlich wohl eher Stillstand. Auf dem Land dominieren weiterhin die grossen Braukonzerne. Im besten Fall wird noch ein Crafty Bier angeboten. In vereinzelten Städten gibt es ein paar Bierbars. Das Gros der Restaurants bietet aber weiterhin immer die gleichen Biere an.

Auch Coop macht so ein Bisschen halbherzig auf Bier – und auch dort vor allem mit Crafty Biere, also Biere welche zwar typische Craftbier-Stile haben, aber aus den grossen Brauereien stammen und nicht handwerklich gebraut sind. 

Und die Qualität der Schweizer Kleinbrauereien ist immer noch meistens unterirdisch. Dabei ist das Schlimmste, dass sich viele noch nicht einmal dafür interessieren, besser zu werden, wie ein aktueller Leserbrief im Zofinger Tagblatt exemplarisch aufzeigt. Aber auch unsere eigenen Erfahrungen als Mitorganisator des Brau- und Rauch Beer Contest zeigt: viele der Kleinstbrauereien interessieren sich nicht für Qualität, die eigene Weiterbildung und damit die eigene Verbesserung.

Erklärungsversuch: Craftbier und Schweiz passt (noch) nicht zusammen

Und wie erklären wir uns das? Unsere Hypothesen wären folgende:

  • In der Schweiz muss alles «fancy» sein und Bier ist nicht fancy. Dem Bier klebt immer noch ein “schlechter als Wein” Image an und während man mit einem teuren Wein sein Umfeld beeindrucken kann, gelingt das mit Bier (noch) nicht.
  • Die Büetzer, welche fancy doof finden, finden auch moderner Firlefanz doof und trinken deswegen ihr lieblings Lagerbier.
  • Wir haben ein Duopol: Zwei dominierende Brauereien, welche den Markt beliebig beherrschen können und so allen die Luft wegnehmen: Gastro-Knebelverträge für Darlehen und Ausschank-Mobiliar. Das Angebot scheint immer noch zu verlockend zu sein für Gastro-Anbieter und die kleinen Craft-Brauereien können unmöglich mithalten.
  • Miete ist bei uns viel zu teuer, insbesondere wegen knappem Raum: In anderen Ländern gab es genug Flächen, die spottbillig sind. Dort kann auch eine kleine Brauerei was reissen, indem sie ein Brewpub einrichten, wo man sich trifft; in Winterthur gäbe es z.B. alten Industrieraum, der sich perfekt eignen würde, aber der wird lieber für Parkplätze genutzt (kein Witz)
  • Schlechte Qualität, weil:
    • Kunden nicht zwischen gut und schlecht unterscheiden können;
    • schlechte Rohstoffe vorhanden sind, da der Schweizer Markt zu klein ist, um genügend Qualitätsware für sich zu beanspruchen;
    • schlecht ausgebildete oder gar nicht ausgebildete Brauer (siehe auch oben)
  • Equipment ist viel zu teuer, weswegen wir schlechtes China-Zeug benutzen oder selber basteln müssen

Lösungsversuch: Radikal aber dafür nachhaltig

Was muss also passieren, damit der Craft-Bier-Markt in der Schweiz eine Chance hat? Hier ein paar zugegeben auch etwas extreme Vorschläge:

  • Bier darf nur noch von Brauereien mit einem Ausstoss von, sagen wir ‹mal 10’000 Liter pro Jahr verkauft werden – Ausnahme im eigenen Taproom. [wir haben diesen Satz umgeschrieben um zu betonen, dass die Zahl weniger wichtig ist als die Intention dahinter – weniger Konkurrenz von «Brauereien» die nicht von ihrem Output leben müssen]
  • Brauereien dürfen keine Bars/Restaurants mehr finanzieren und damit an sich binden
  • Der Brauereiverband respektiert auch die kleinen Mitglieder und macht PR auch für Nischensorten, welche er aktuell als Spezialitäten-Biere zusammenfasst.
  • Schweizer Brauereien akzeptieren, dass sie ein Qualitätsproblem haben und arbeiten daran, sich zu verbessern
  • Wir Bierfreunde kaufen regelmässig Biere in vernünftigen Mengen von den wirklich professionellen Brauereien, die auch wirklich gute Biere produzieren
  • Wir erzählen allen, welche tolles kulinarisches Erlebnis ein Bier sein kann und helfen dabei, das Image von Bier zu verändern

Was fehlt? Was wären eure Ideen, damit wir in 10 Jahren dann endlich da sind, wo die USA schon vor 10 Jahren waren? Schreibt eure Vorschläge als Kommentar.

7 comments
  1. Kaspar Scheidegger

    Mit Vorschlag 1 tötest du jeden Neuanfänger wie mich. Und gerade die quereinsteiger welche out of the box denken, wie die meisten grossen craftbierbrauereien. Völliger Schwachsinn, sorry. Du unterbindest jede Kreativität nur weil dich die ganzen 0815 mini spez brauerlis stören.

  2. Daniela

    Absolut deiner Meinung. Viel zu viele Hobbybrauer, die mit schlechter Qualität den Markt kaputt machen und meistens überhopfte Biere produzieren, um die vorhandenen Off-Flavours zu überdecken. Ein Hohn für jeden Braumeister mit einer langjährigen Ausbildung, wenn jeder denkt, er könne es genau so gut. Professionelle Mikro- und Kleinbrauereien müssen unbedingt gefördert werden!

  3. Jovy

    China Equipment ist zwar billig aber sehr gut. Damit kann man super brauen und eine komplette brauerei kostet nur 140000 Euro

  4. Rolf Burkhard

    Vorschlag 2 würde zu einem Restaurant/Barsterben führen, sehr viele Betriebe sind auf das Geld der Brauereien angewiesen (…im Spirituosensektor sind die Beträge welche bezahlt werden übrigens noch krasser als im Bierbusiness…). Um die Qualität zu verbessern sollten grundsätzlich nur Brauereien Biere in den Verkauf bringen dürfen welche mindestens einen ausgebildeten Brauer beschäftigen

  5. Tore Haugholt

    Meiner Meinung nach ist das Hauptproblem dass Bier als Massenprodukt zu günstig verkauft wird. Die Kleinbrauer können da nicht mithalten. Auch die sogenannten „Bierwanderungen“ helfen mit den Wert von Bier weiter nach unten zu drücken. Ein Verkaufsverbot für Brauereien ohne ausgebildete Brauer finde ich den falschen Ansatz. Aber an der guten Qualitätskontrolle UND der korrekten Lagerung der Biere mangelt es manchmal. Die Restaurants und Bars müssen langsam mehr Mut zeigen und nicht nur das Feldschlössli-Sortiment anbieten. Die Kunden müssen vermehrt regionale Biere verlangen. Das wäre auch nachhaltiger und fördert das lokale Business. Dazu braucht aber auch schweizer Malz und Hopfen zu fairen Preisen.

  6. Rolf Burkhard

    Mit der zur Zeit stetig sinkenden Kaufkraft (siehe anstehende Mietpreiserhöhungen und auch 2024 massiv steigende Krankenkassenprämien) wird es schwierig die Leute vom Kauf teurer Biere zu überzeugen. Im Spirituosensektor findet gerade ein downgrade statt, die Konsumentinnen und Konsumenten gehen zurück auf billige Produkte. Zudem muss die Qualität stimmen: jeder der gerade nichts zu tun hat, kann beginnen Bier zu brauen und es auch noch in den Verkauf bringen. Voraussetzung für den Verkauf sollte sein dass ein ausgebildeter Brauer am Werk ist. Sonst werden auch die Gastrobetriebe weitermachen wie bis anhin. Nicht zu vergessen dass nicht jede Kleinbauerei die finanziellen Mittel hat um in Ausschankanlagen, Kühlschränke, Gläser, etc, zu investieren, da ist es einfacher und günstiger wenn ein Gastronom mit einer grossen Brauerei arbeitet

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